Nein, das ist nicht mehr normal!

Anomalie des Wasservolumens der Flüsse im Zeitraum Juni bis August 2022, Referenzperiode 1980-2021, im Schnitt fließt 29% weniger Wasser in Europas Flüssen als normal, an manchen Stellen sogar 62% weniger. Zu den am stärksten betroffenen Ländern zählen Rumänien, (West-) Ukraine und Frankreich, Quelle: Dr. Dominic Royé, Dr. in Physischer Geographie

Europa erlebt die schlimmste Dürre seit über 500 Jahren, begonnen hat die Trockenheit bereits 2018. Ein schneearmer Winter 2021/2022, ein trockenes Frühjahr und seitdem ein beispiellos trockener Sommer mit völligem Fehlen atlantischer Tiefdrucktätigkeit, Troglagen Mitteleuropa oder Italien/Adriatiefs. Nichts. Entsprechend ist es nicht nur in Mitteleuropa zu trocken, sondern in ganz Europa, einschließlich Schottland, Südnorwegen bis in den Westen von Russland. Im Süden von Norwegen sind die Strompreise derzeit 300fach höher als im Norden, wo es keine Dürre gibt. 90% von Norwegens Stromerzeugung basiert auf Wasser.

Die Gletscher erleben nie dagewesene Schmelzraten, was aber nicht ausreicht, um das Wasserdefizit in den Flüssen auszugleichen.

Sonst kann man die Folgen relativ schnörkellos runterrattern:

Zu wenig Wasser in den Bächen und Flüssen heißt …

  • eingeschränkte oder völlig verhinderte Transporte mit dem Schiff, dadurch steigende Transportkosten und mehr CO2-Ausstoß auf den Straßen
  • erschwerte Transporte von Kohle zu den Kraftwerken, die jetzt wegen der Öl- und Gaskrise reaktiviert werden müssen
  • verringerte Leistung von Wasserkraftwerken und Atomkraftwerken, die Kühlwasser benötigen (alleine die Loire versorgt 12 Atomkraftwerke mit Kühlwasser)
  • Mangel an Lösch- und Trinkwasser sowie Wasser für Landwirtschaft
  • kippende Ökosysteme durch verringerte Wasservolumen, die sich stärker aufheizen können, bzw. Pegelstand unter Meeresniveau (Poebene) und damit Rückfluss an Salzwasser

Verbreitet gibt es Ernteausfälle in ganz Europa und verheerende Waldbrände – bislang sind 660 000 Hektar in Europa verbrannt. Das ist etwa die Fläche vom Bundesland Salzburg. Dazu kommen generelle Trockenschäden an der Vegetation mit vorzeitigem Blätterabwurf der Bäume, sowie austrocknende Seen und Tümpel. Die Stauseen müssen teilweise geleert werden, um die Flusspegelstände hoch genug zu halten. Wenn die Dürre aber anhält, fehlt das Wasser am Ende trotzdem.

Die Böden sind teilweise bis 2m Tiefe viel zu trocken. Die prognostizierten Niederschläge in den nächsten 7-10 Tagen reichen bei weitem nicht aus, um die Grundwasserspiegel entscheidend zu heben.

Auf den Balearen gab es gestern neue Temperaturrekorde, mit 44,5°C auf Formentera sowie Rekorde auch in Ibiza-Flughafen (41,0°C, vorher 38,4°C) und Palma de Mallorca (39,1°C, vorher 38,0°C).

Ja, der Planet sendet uns eine BotschaftFahr zur Hölle!

Mittelfrist-Ausblick:

Die Wettermodelle zeigen diese Woche mehr Tiefdrucktätigkeit und Niederschläge in Teilen West- und Mitteleuropas, die in der Folgewoche erneut von einer Hitzewelle, zumindest in Westeuropa, abgelöst werden könnte.

Gesamtniederschlag von EZWMF 14.08.22, 00 UTC-Lauf, bis Mittwoch, 24. August 2022, Quelle: wetterzentrale.de

Treffen die prognostizierten Mengen ein, wird sich die Dürre zumindest in Ostfrankreich, Schweiz, entlang des Rheins, Südalpen bis Polen und Ukraine *etwas* entspannen – es bleibt zu wenig, und teilweise fällt es konvektiv, rinnt also oberflächennah ab, insbesondere auf den steinharten Böden. Spanien bleibt unter Dauerhochdruck, ebenso Süditalien.

Langfrist-Ausblick:

Saisonaler Ausblick für November-Januar 2022/2023 – 7 von 8 Vorhersagesysteme zeigen abnormal hohen Luftdruck über dem Nordatlantik, womit feuchte Westwindlagen und Stürme in Europa blockiert wären, Quelle: Dr. Simon Leeweitere Vorhersagekarten (jeweils am 13. des Monats aktualisiert)

Alle Vorhersagesysteme zeigen ein ähnliches großräumiges Muster (ausgenommen NCEP), das heißt, irgendwas ist da im Busch. Ein derartiges Muster würde feuchtmilde Nordwestlagen oder Troglagen nicht ausschließen, könnte aber mit weit nach Mitteleuropa hineinreichenden Keil weiterhin für trockene Bedingungen sorgen – also die Dürre weiter verschärfen.

Simon Lee bringt dazu den Vergleich mit 1975/76 – ein trockener Winter, dem eine historische Dürre und Hitze im Sommer 1976 folgte. Vor dem Rekordsommer 2003 war der Juli 1976 in Mitteleuropa ein Extremereignis, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Großbritannien. Damals gab es auch ein starkes La Niña-Event im letzten Winterdrittel 75/76, das auch für 22/23 vorhergesagt wird.

Bodendruckanomalie für November bis Januar 1975/1976

Wir spekulieren hier, aber wenn sich das wiederholt und der Sommer 2022 nur ein Vorläufer wie 1975 war, dann würde erst im kommenden Jahr die eigentliche Hitze und Dürre folgen. Nein, man mag nicht darüber nachdenken. Das Schlimme ist, dass es die Regierungen weltweit nicht begriffen haben, wie ernsthaft am Arsch wir alle sind.

Chemiker und Wissenschaftsjournalist Lars Fischer brachte es heute auf den Punkt:

„Ehrlich gesagt seh ich eine Wirklichkeitskrise. Es ist anscheinend vollkommen verhandelbar geworden, was real ist und was nicht.

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