
„Es bleibt sehr warm im Herbst“ – „Schön, muss man weniger heizen.“
„Auch der Dienstag, der 18. Oktober, könnte nicht schöner sein. In allen Regionen der Steiermark scheint die Sonne und wärmt Mensch und Tier mit angenehmen 21 Grad“ (Bezirksnachrichten Steiermark, 17.10.22)
„Perfektes Herbst- und Wanderwetter: Diese Almen halten noch offen. Der Meteorologe Michael Butschek spricht von einem wunderbaren Wanderwetter in den nächsten Tagen, das geprägt sei von einem stabilen Hochdruckwetter mit bester Fernsicht und milden Temperaturen“ (Salzburger Nachrichten, 28.10.22)
„Man sollte in der jetzigen Situation nicht bloß von schönem Wanderwetter und angenehm herrlichen Temperaturen sprechen, sondern betonen, dass das aktuelle Wetter das Symptom einer langfristigen katastrophalen Entwicklung ist“
Klimaforscher Marc Olefs, STANDARD, 29.10.22
Nach dem kühlen, aber dennoch zu trockenen September geht der Oktober auf den Bergen wärmer als im September zu Ende, auch im Flachland ist er extrem warm und vor allem viel zu trocken und auf den Bergen zu schneearm. Nun sind „Goldene Oktober“-Phasen nicht ungewöhnlich, aber normalerweise sprechen wir von 5 bis 10°C auf 1500m Seehöhe (850 hPa Druckfläche), die inversionsbedingt 15-20°C Höchstwerte in mittleren Lagen ergeben. Jetzt haben wir aber 15-20°C in 850 hPa und einzelne Sommertage (über 25°C) auch in den Niederungen – selbst ohne Föhnunterstützung.
Die Berichterstattung in den Medien glorifiziert die späte Sommerwärme, lädt zum Baden, Wandern und Cocktail trinken ein. Die von den hohen Energiekosten schwer gebeutelten privaten Wohnungsbesitzer freuen sich darüber, weniger heizen zu müssen. Ja, kann man auch, ist legitim, aber der Punkt ist, die Regierung sollte alle Anstrengungen unternehmen, die hohen Energiekosten mit mehr als Einmalzahlungen abzufedern und gleichzeitig den Flächenversiegelungsswahnsinn in Österreich stoppen, und weitere Maßnahmen zur Energiewende und Klimaschutz. Jetzt steht zu befürchten, dass viele damit leben können, wenn es im Herbst so warm wie im August bleibt, und die Klimakatastrophe dahinter übersehen.
Niedrigwasser

Das ist nicht mehr normal. Nach dem schneearmen Winter, zu trockenem Frühjahr, heißen und trockenen Sommer und erneut trockenem Oktober verschärft sich das Grundwasserproblem – im Süden und Osten ist der Grundwasserspiegel besonders dramatisch niedrig.
Die Wärme erhöht die Verdunstung und verlängert die Vegetationsperiode, was ebenfalls Wasser aus den Böden zieht. Ohne Schneedecke sind auf weißes Winterfell umgestellte Wildtiere schutzlose Beute, während andere Tiere im Winterfell schon kräftig schwitzen. Mit den warmen Böden bis zum nächsten Wintereinbruch wird auch das Thema Lawinengefahr den ganzen Winter ein Problem werden, denn die Verbindung zum gefrorenen Untergrund fehlt, und die Schneedecke droht von unten immer wieder anzutauen, wodurch Gleitschneelawinen wahrscheinlicher werden.
Wenn die Trockenheit längere Zeit anhält und die Schneearmut vor allem auf der Alpensüdseite nicht beseitigt wird, bleiben die Speicherseen leer, die Wasserkrafterzeugung reduziert und die Versorgung mit Trinkwasser immer häufiger ein Problem im nächsten Frühjahr. Auch Waldbrände sind wie schon im Vorjahr im Schneeberggebiet im Bereich des Möglichen.
Im Sommer wurde teilweise tagelang über die ausgetrockneten Flüsse in West- und Südeuropa berichtet, mit dem feuchtkühlen September im Alpenraum verschwand die Dürreproblematik offensichtlich aus dem Blickfeld der Bevölkerung. Bis heute haben sich aber nicht alle Flüsse davon erholt, denn Niederschläge sind vielfach konvektiver Natur gewesen und bringen keine nachhaltige Erholung der Flusspegelstände. Wird Niedrigwasser das neue Normal in Europas Flüssen?
Extremwerte

- In Schweden gab es am 28.10.22 19,5°C – noch nie war es so spät im Jahr so warm.
- In Vorarlberg gab es am 28.10.22 auf der Gapfohlalpe bei Laterns (1559m) mit 20,4°C einen Stationsrekord für Oktober, stieg noch auf 21,1°C
- Im Flächenmittel der DWD-Stationen wurden an diesem Tag erstmals über 22°C Tageshöchstwert erreicht, viele DWD-Stationen mit Dekadenrekorden.
- In Bilbao, Spanien, gab es um 03.20 Uhr noch 30,2°C.
- Am 29.10.22 gab es verbreitet Sommertage bis 26°C im Breisgau und Oberbayern, aber auch die 13°C auf der Rudolfshütte (2317m) sind bemerkenswert.
- Das westliche Mittelmeer ist Ende Oktober sogar noch wärmer geworden, um 24°C am 24. Oktober – so warm wie sonst im Sommer.
- 30. Oktober: späteste Tropennacht in Österreich mit 20,4 am Kolomansberg (1113m)
Extremwetter

Am 23. Oktober gab es eine fast hochsommerliche Schwergewitterlage über Frankreich, mit einer kräftigen Südwestströmung, starker bodennaher Windscherung und hochlabilen Luftmassen.

Am stärksten vom Tornado getroffen wurde die 350-Seelen-Gemeinde Bihucourt im Norden von Frankreich (Départment Pas-de-Calais), 3/4 des Ortes wurden vom EF3-Tornado mit Spitzenböen bis 270 km/h verwüstet, ein LKW wurde aufs Dach gelegt – der schwerste Tornado seit 9 Jahren. Die Tornadoregionen selbst sind nicht ungewöhnlich – man spricht hier von der „Tornado-Alley“ Europas – aber für Ende Oktober eben nicht normal, bzw. überhaupt im Oktober nicht normal mit diesen subtropischen Luftmassen.

Beeindruckend war auch die gewaltige Gewitterlinie aus einem Komma heraus in Frankreich am 20.10.22, das auch Paris überquerte und am späten Abend noch Benelux erreichte. Im Radar sehr eindrucksvoll nachzuvollziehen.
Was bedeutet das fürs Weltklima?
In der österreichischen Presse lese ich dazu kaum etwas, dabei trudeln ständig neue Hiobsbotschaften ein.

Die Aussichten auf eine Trendwende sind düster. Die Internationale Energiebehörde IEA rechnet selbst für das Jahr 2050 noch mit 60% Anteil fossiler Energie am globalen Mix. Bis dahin wird der CO2-Ausstoß nur wenig sinken. Der irreversible Zusammenbruch des Klimas ist nahe, warnen wichtige Studien – und das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C wird nicht mehr zu halten sein. Wir bewegen uns steil auf 3-4°C Erwärmung zu, das bedeutet für die Landmassen eher 5-6°C und damit eine in weiten Teilen unbewohnbare Erde bei rasant steigendem Meeresspiegel durch die Polkappenschmelze und die thermische Ausdehnung der Ozeane. Weder Ökosysteme noch Mensch können bei diesem Tempo mithalten. Das ist dann das Ende der modernen Zivilisation wie wir sie kennen. Und nicht irgendwann, sondern noch in diesem Jahrhundert. Greta Thunberg, die auch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen ist, sagte damals in Davos „I don’t want your hope. I want you to panic. I want you to feel the fear I do. Every day. And I want you to act. I want you to behave like our house is on fire. Because it is.“ (25.01.19)
Und wie geht es jetzt kurzfristig weiter?
Noch bis Montag, 31.10.22, bleiben die extremen positiven Abweichungen in Mitteleuropa erhalten. Dann nimmt der atlantische Tiefdruckeinfluss allmählich zu. Im Verlauf von Allerheiligen, 01.11.22, auf Allerseelen, 02.11.22 strömt hinter einer schwachen Kaltfront erstmals jahreszeitgemäße Kaltluft ein. Wie es danach weitergeht, ist aber noch unsicher. Für das kommende Wochenende zeichnet sich zwar ein weiterer Kaltlufteinbruch ab, aber es ist unklar, wie viel Niederschlag dabei fällt. In der Mittelfrist (7-10 Tage) rechnen die führenden Globalmodelle eine Rückkehr zur Südwestlage, allerdings auf deutlich niedrigerem Temperaturniveau und aufgrund des niedrigen Sonnenstands auch weit entfernt von den Oktoberrekorden.
Und was wäre diesen Winter am besten …?
Wetter ist kein Wunschkonzert, aber was wir jetz bräuchten, wäre ein milder Winter wie in den 90er Jahren oder 2007/2008, mit wiederholten Warmfronten aus Nordwest, die entsprechend große Neuschneemengen bringen, aber auch wiederholten Italien- oder Adriatiefs mit entsprechendem Südstau und großen Niederschlagsmengen dort, damit für das Frühjahr genug Wasserreservoir aus der Schneeschmelze bereitsteht.
Eine Katastrophe wäre hingegen eine Fortsetzung der hochdrucklastigen Südwestlagen mit hoher Nullgradgrenze und seltenen Frontpassagen. Auch kalte trockene Nordlagen wären wenig ergiebig, was Niederschlag betrifft. Pulverschnee ist hübsch zum Anschauen, hat aber nur einen geringen Wassergehalt und ist bei deutlichen Plusgraden rasch weg, ohne ins Grundwasser zu versickern.
Wir werden sehen, wie es weitergeht. Letztes Jahr war ich Anfang Dezember nach dem Schneefall in Wien schon optimistisch, aber der restliche Winter war dann ziemlich oasch.
