Archiv für den Monat Dezember 2013

Graupeln und Schneegriesel

Wieder nichts mit weißen Weihnachten: Laut einer Prognose der ZAMG
dürfte am 24. Dezember in keiner Landeshauptstadt Schnee liegen. Für
Wien und anderen Städten in Beckenlage bleibt zumindest die Hoffnung,
dass durch Graupeln eine Illusion von Schnee geschaffen wird.[…]

[…]

Aus dem dichten Nebel kann es leicht nieseln, Graupeln können liegen
bleiben und so zumindest einen Anschein von Schnee vermitteln.

[…]

Quelle: http://orf.at/stories/2211028/

Für die Schlagzeile „Keine weiße Weihnachten“ möchte der ORF erklären, dass aus einer Hochnebeldecke Schneegriesel fallen und damit für eine hauchdünne Schneedecke sorgen kann. Allerdings entsteht hier eine Begriffsverwirrung zwischen Schnee, Graupel, Niesel und Schneegriesel – und dem nicht einmal erwähnten Industrieschnee, der Landeshauptstädte wie Klagenfurt, Graz und Wien in der vergangenen Woche häufiger beehrt hat.

Kurze Übersicht:

  • Schneefall setzt eine nahezu durchgehende Schicht aus Temperaturen unter Null Grad voraus, mit Ausnahme sehr trockener Luft, wodurch der Luft durch Verdunstungskälte genügend abgekühlt wird, damit der Niederschlag als Schnee fällt. Es handelt sich hierbei um unterkühltes Wolkenwasser, das sich an Kristallationskeime (z.B. Staubteilchen) anlagert und Eiskristalle bildet. Beim Fallen lagert sich unterkühlter Wasserdampf bzw. weiteres Wolkenwasser an und bildet die charakteristischen Kristalle.
  • Graupel besteht aus Schneekristallen, an die sich unterkühltes Wolkenwasser anlagert. Im Unterschied zu Niesel und Schneegriesel ist Graupelniederschlag eine typische Begleiterscheinung von Schauern und Gewittern und entsteht ausschließlich im Winterhalbjahr, da hierfür in der niederschlagsbildenden Schicht durchwegs negative Temperaturen herrschen müssen. Graupel wird je nach Umgebungstemperatur in Reifgraupel (unterkühlte Tröpfchen gefrieren sofort am Eiskorn, wodurch die Körner styroporartig aussehen) und Frostgraupel (unterkühlte Tröpfchen umfließen Eiskorn und bilden festere Körner) unterteilt.
  • Schneegriesel ist der kleine Bruder vom Graupel. Auch er benötigt feine Kristalle, an die sich unterkühlte Wolkentröpfchen anlagern. Er entsteht jedoch nur bei stabilen Wetterverhältnissen aus einer Schichtwolke (Stratus bzw. Hochnebel). Aufgrund der verhältnismäßig geringen Mächtigkeit der Schichtwolke sind die Vertikalbewegungen und die unterkühlten Tröpfchen so klein, dass der Schneegriesel kaum einen Durchmesser über 1 mm erreicht.
  • Niesel (in Deutschland auch: Sprühregen) ist der warme Bruder vom Schneegriesel. Das Vertikalprofil der Temperatur und der Feuchte schaut identisch zu dem des Schneegriesels aus, nur ist die Luftschichtung dabei wärmer als beim Schneegriesel. Bei Wolkentemperaturen zwischen -10 und 0 Grad ist jedoch auch gefrierendes Nieseln möglich, was lokal Glätte produzieren kann. Niesel entsteht durch die Kollision von Wassertröpfchen in einer Stratuswolke.
  • Industrieschnee war für die strecken- und gebietsweise vorhandenen Schneedecken in den Ballungsräumen verantwortlich. Es war sicherlich kein Zufall, nennenswerten Schneefall um Wochenmitte in den südöstlichen Bezirken Wiens über Transdanubien bis teils zum Stephansplatz anzutreffen, und in den westlichen Bezirken, wo man aufgrund des Südostwinds und verbundener Aufwärtsbewegung am Wienerwaldhang eigentlich mit Niederschlag rechnet, kaum einen solchen angetroffen hat. Industrieschnee benötigt dichten Nebel, eine markante Temperaturinversion bei Frost zwischen -5 und -8 Grad (empirischer Wert) und künstliche Kondensationskeime, die etwa durch Industrieabgase bereitgestellt werden.

Während Schneegriesel kaum nennenswerte Mengen akkumuliert, kann Industrieschnee für beträchtlichen Neuschnee sorgen, am 20. Dezember 2007 fielen so 10-20 cm, gebietsweise sogar mehr, Schnee in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland.

Ausblick: 

Für die Weihnachtsfeiertage ist es jedoch aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass sich noch einmal eine Neuschneeauflage durch Schneegriesel oder Industrieschnee ergibt, Reif- oder Frostgraupel ist ohnehin mangels einer instabilen Luftschichtung ausgeschlossen:

An Heilig Abend und am ersten Weihnachtsfeiertag stellt sich eine intensive Südföhnlage ein, die vielerorts auch bodennahe für eine signifikante Erwärmung sorgt. Der in Bodennähe lebhaft auffrischende Südwind hebt die Hochnebeluntergrenze deutlich an, womit die Voraussetzung für Industrieschnee wegfällt und auch der vom ORF erwähnte dichte Nebel großteils kein Thema mehr sein wird. Für den zweiten Weihnachtsfeiertag zeichnet sich ohnehin gewöhnlicher Niederschlag durch ein Italientief ab, das aber im Flachland meist für Regen und nur im Berg- und Hügelland für etwas Neuschnee gegen Niederschlagsende verantwortlich ist.