Archiv der Kategorie: BILD

Saharastaub-Schlammregen: ein Oxymoron

Etwas reißerisch wurden in den Salzburger Nachrichten die Auswirkungen der Saharastaub-Wolke dargestelllt.

Ein Schlammregen hat am Donnerstag den Nordosten Spaniens mit einer Schmutzschicht überzogen. Wie das Wetteramt mitteilte, hatte sich eine riesige Sandwolke aus der Sahara mit Regenwolken vermischt. Von dem Schlammregen waren vor allem die Region Katalonien und die Mittelmeer-Insel Mallorca betroffen.

Nach Schätzungen des Wetteramts gingen auf Katalonien mit dem Regen etwa 50.000 Tonnen Sahara-Staub nieder. In der Gegend von Barcelona dürften pro Quadratmeter etwa zwei bis vier Gramm Sand auf die Erde gefallen sein, teilte die Behörde der Online-Zeitung „lavanguardia.com“ mit.

Zunächst ist man sich nicht wirklich einig, ob es sich hier um eine Staubwolke, um eine Sandwolke, um Schlamm oder um eine Schmutzschicht handelt.  Im Titel wird Saharastaub zusammengeschrieben, im Text auseinander.

Meteorologen sprechen bei diesem Wetterphänomen von Saharastaub, nicht von Saharasand, denn der Transport von Nordafrika über das Mittelmeer auf den europäischen Kontinent erfolgt über mehrere hundert bis tausend Kilometer. Sandkörner lassen sich aufgrund ihres Gewichts nur oberflächennah verfrachten (in der Wüste führt das zum Sandsturm, gelegentlich derzeit auch am trockenen Alpenostrand beobachtet). Es handelt sich also um eine Staubwolke, die dank der großflächigen Aufwärtsbewegungen durch die Warmluftzufuhr verbreitet hohe und mittelhohe Wolken bildet (Cirrostratus und Altostratus).

Nun wirds mathematisch:

Katalonien umfasst eine Fläche von 32 100 km², bei 50 000 Tonnen entspricht das einer Menge von 15 g/m² (ein Esslöffel Reis). In Barcelona mit 2-4 g/m² also noch deutlich weniger. Hier von Schlammregen zu sprechen, ist schon eine starke Übertreibung, speziell wenn man die verheerenden Unwetter der Vergangenheit betrachtet.

Wie es aussieht, ist der Begriff barro  im Spanischen vieldeutig

lluvia de barro

Ein Regenschauer (lluvia) aus

  • Ton
  • Lehm
  • Schlamm

Das Online-Übersetzungstool LEO schlägt diese drei Begriffe für el barro vor, wobei feinkörniger Ton wohl noch am besten als Umschreibung von Saharastaub zutrifft.

PS:  Und nein, das, was die deutsche BILDzeitung schreibt, ist ganz falsch:

Am Freitag sorgte der Saharastaub noch für reichlich Schauer in Deutschland. Grund: An den Staubpartikeln lagert sich Feuchtigkeit an, daraus entstehen Wolken und Schauer.

Wolken entstehen vornehmlich in den höheren Luftschichten, die jedoch die Sonneneinstrahlung stark behindern.  So wurden heute in den sonnigen Regionen ohne Staubbeeinträchtigung Höchstwerte von 20 bis 24 Grad gemessen, in den trüben Regionen hingegen unter 20 Grad.

gewitterdeutschland

Das Satellitenbild von Sat24/Eumetsat, 17.00 MESZ, zeigt die von der Staubwolke verursachte bzw. verstärkte Schleierwolkenbildung über der Benelux und der Nordsee sowie Norddeutschland. Eine schmale Schliere zieht sich auch vom Schwarzwald über den Norden Österreichs bis in die Slowakei. Dazwischen über Baden, Nordbayern und Tschechien schien hingegen öfter die Sonne (> 20 Grad) und es bildeten sich einzelne Schauer und Gewitter.

1. Staub führt zu verstärkter Wolkenbildung und Abschattung der Sonne, was die Atmosphäre stabilisiert.

2.  Mit dem Staubtransport ist oftmals eine sehr trockene mittlere Luftschicht verbunden, die die Freisetzung von latenter Wärme erschwert – und damit die Schauer/Gewitterbildung (Quelle: http://geotest.tamu.edu/userfiles/216/wong05.pdf )

3. Die massive Staubzufuhr erhöht die Anzahl der Wolkentröpfchen, verringert aber gleichzeitig deren Durchmesser.  Das Zusammenfließen der Wolkentröpfchen führt zwar zum Ausfällen der Tröpfchen, sorgt aber nur für wenig Niederschlag. Fällt dieser in die sehr trockene Luft darunter, verdunstet er und entzieht der Umgebung Wärme, was die Luftschicht weiter abkühlt und stabilisiert. (Quelle: http://www.pnas.org/content/98/11/5975.full.pdf )

4. Die Schauer und Gewitter in Süddeutschland entstehen in einer gut ausgeprägten Tiefdruckrinne, d.h., hier wehten Winde aus gegensätzlichen Richtungen und bildeten eine Konvergenz, ein Zusammenströmen und nachfolgendes Aufsteigen. Der Saharastaub spielte hier allenfalls eine untergeordnete Rolle bzw. beeinträchtigte sogar Lebensdauer und -intensität der Gewitter.