Der erste Wintermonat flippt aus, und die Journalisten brauen sich ihre Sensationsstories zusammen.
So berichtet der SPIEGEL heute von einem Orkantief im Nordatlantik.
- extremer Sturm
- extremer Tiefdruckwirbel
- extremes Tiefdruckgebiet
- starker Sturm
- riesige Tiefdruckgebiete
- kräftiger Sturm
Der Luftdruck werde dort in den kommenden Stunden auf rund 920 Millibar absacken, berichten Wetterdienste – ein Extremwert, Durchschnitt sind etwa tausend.
Extremwert ist richtig, der Allzeitrekord liegt bei 914 hPa über dem Nordatlantik (10.01.1993, Braer-Storm). Vom Durchschnittswert darf man aber nicht ausgehen, denn im Winter tummeln sich unzählige Sturm- und Orkantiefs mit Kerndrücken unter 970 hPa in der Region.
Zwei benachbarte riesige Tiefdruckgebiete dürften den Windvorhersagen zufolge auf Hunderten Kilometern Breite auf Hurrikanstärke beschleunigen.
Zwei Mal Vorsicht!
- zeigt die Modellkarte im Beitrag die mittlere Windgeschwindigkeit in 850 hPa Höhe, das entspricht zum berechneten Zeitpunkt rund 1200 bis 1400 m Seehöhe, nach Süden hin zunehmend.
- befindet sich das langgestreckte Starkwindband im Warmsektor des Tiefdruckgebiets (siehe Vorhersagekarte von GFS darunter)
Die stärkste Isobarendrängung wird im Warmsektor des Orkantiefs bei Island (hier: 926 hPa) bzw. des Randtiefs bei Irland (hier: 975 hPa) erreicht. Warme Luft ist weitgehend stabil geschichtet, d.h., die in der EZMWF-Karte gezeigte mittlere Windgeschwindigkeit von 35 bis 40 m/s (126-144 km/h, im weißen Bereich > 150 km/h) wird über weite Strecken nicht 1:1 zum Boden durchgemischt. Die Spitzenböen nahe der Meeresoberfläche betragen dann „nur“ 100 bis 120 km/h.
Höhere Windspitzen sind bei Island verbreiteter anzutreffen, weil sich starke Höhenwinde und instabil geschichtete Kaltluft überlappen, und orographische Effekte hinzukommen (Föhn, Kanalisierung).
Und den Begriff Hurrikanstärke sollte man für tropische Wirbelstürme vorbehalten. Hierzulande spricht man von Orkanstärke (> 117 km/h). Punkt.
…erstaunliche Folgen …schaufelt …milde Luft aus Süden …nach Norden
Nein, Physik.
Am Nordpol gibt es am Mittwoch demnach ähnliche Temperaturen wie derzeit im Süden Kaliforniens oder in Deutschland. Die Eisdecke im Nordmeer dürfte oberflächlich tauen.
An Deutschland geht das Naturereignis vorbei. Die Wetterdienste sagen für die nächsten Tage ruhiges Winterwetter voraus – bei Temperaturen meist knapp über dem Gefrierpunkt.
Was soll sich bei uns auch ändern, wenn das Förderband von Süden nach Norden reicht und damit das Hochdruckgebiet bei uns bzw. über Skandinavien weiter stützt?
Key facts:
- Das extreme Tief ist ein Orkantief (Kerndruck unter 955 hPa).
- Der mutmaßliche Höhepunkt bei 920 hPa ist ein Extremwert, aber kein Rekord.
- Sturmtiefs mit unter 970 hPa sind im Nordatlantik um diese Jahreszeit normal.
- Die markante Warmluftzufuhr bis zum Polarkreis ist nur von kurzer Dauer (< 24 Std.) und Tauvorgänge sollten sich entsprechend in Grenzen halten.
- Der stärkste Höhenwind (siehe gezeigte Modellkarte im Artikel) findet auf der warmen, stabilen Vorderseite der Tiefdruckgebiete statt, und schlägt damit nur stellenweise bis zum Boden durch (z.B. im Lee von Gebirgen, Erhebungen).
- In Deutschland ist das Naturereignis verantwortlich für ruhiges Winterwetter, denn die herangeführte Warmluft stützt das Skandinavienhoch und hält weitere Tiefdruckgebiete vom Atlantik her vorerst vom Leib.
- Strenggenommen kommt der aktuelle Warmluftvorstoß (Dienstagfrüh) viel weiter nach Norden als der durch das nachfolgende Tief: