Archiv für den Monat Mai 2016

Was sind „Luftfronten“?

Der Zwischenfall werde untersucht, sagte Mardjono Siswosuwarno, ein Ermittler der Transportsicherheitsbehörde. Vermutlich seien zwei Luftfronten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aufeinander getroffen – das könne plötzliche Turbulenzen auslösen, meinte er.

Quelle: Spiegel Online, abgerufen am 05.05.16, 13.58 MESZ

Als ich den Begriff Luftfronten las, dacht ich sofort an eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen …

In einem Bericht der Gulf Times lautet der Absatz so:

Mardjono Siswosuwarno, an investigator with the Indonesian Transport Safety Committee, said the incident was being investigated but that the turbulence was likely caused by a meeting of two bodies of air moving at different speeds, rather than a visible storm.

„It looked like clear-air turbulence so it was unexpected,“ he said.

Richtig übersetzt lautet die Aussage:

Die Turbulenz wurde wahrscheinlich durch das Zusammentreffen zweier Luftmassen, die sich mit unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten bewegen, verursacht, nicht durch ein sichtbares Unwetter. Es sah nach clear-air-turbulence aus, war also unerwartet.

Der entscheidende Zusatz ist der Hinweis auf clear-air-Turbulence!

„Clear-air-turbulence“ (zu deutsch: Klarsicht-Turbulenz) ist eine gefährliche Eigenschaft von Jetstreams (Strahlströme) in großen Höhen, die in der Mitte sehr hohe Windgeschwindigkeiten aufweisen, die zu den Ränden hin stark abnehmen und stark verwirbeln können (sogenannte Windscherung). Das Tückische daran ist, dass sie auch bei wolkenlosen Bedingungen vorkommt und daher nicht immer erkennbar ist (dazu diese Abbildungen ).

Was ist also der Unterschied zwischen Original und Übersetzung?

Hier prallen keine Fronten aufeinander wie bei einem Frontalzusammenstoß, sondern es kommt zu einer raschen Abnahme der Windgeschwindigkeit, was gefährliche Verwirbelungen auslöst. Für meteorologisch nicht versierte Journalisten irreführend war die Verwendung des Wortes „meeting“, wenngleich Zusammentreffen hier weniger frontale Begegnung als „Vorhandensein“ bedeutet. Herr Siswosuwarno hätte auch sagen können „the presence of two bodies of air moving at different speeds“.

Die irreführende Übersetzung zeigt zweierlei: Journalisten sollten sich ggf. durch einen deutschsprachigen Experten rückversichern, wie eine Aussage gemeint ist. Der Experte wiederum muss ggf. bei seiner Wortwahl darauf achten, sich unmissverständlich auszudrücken.