Archiv für den Monat Januar 2014

Das Islandtief in der ZiB2

Am Höhepunkt des Frühlingswetters, am Montag, 20.1.2014, berichtete die Zeit-im-Bild 2 endlich über die ungewöhnlich milde Luft in Österreich und verknüpfte es (nicht unzurecht) mit der Kältewelle in den USA. Die Erklärung lässt jedoch etwas zu wünschen übrig:

„Laut Meteorologen“ verantwortlich für die Wärme bei uns und die Kälte in den USA sei „ein kräftiges Islandtief. Es steuert milde Luftmassen nach Europa und Kalte nach Nordamerika.

Mir ist natürlich klar, dass in einer Nachrichtensendung mit dem Anspruch, möglichst viele Zuseher zu erreichen, keine komplexe Erklärung gewünscht ist, um die derzeitigen Wetterkapriolen für die Mitzi aus Hintertupfingen deutlich zu machen.

Die Verkürzung auf ein singuläres Tiefdruckgebiet, namentlich das Islandtief, ist jedoch fachlich nicht korrekt. Dazu zwei Beispiele – weiß gezeichnet jeweils das Islandtief, schwarz die tatsächliche Lage der Tiefdruckgebiete am jeweiligen Tag.

1.  6. Jänner, Kältewelle in den USA

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Als am 6. Jänner 2014 in weiten Teilen Nordamerikas eisige Fröste gemeldet wurden, lag ein kräftiges Sturmtief über dem Osten der USA an der Grenze zu Kanada. Es transportierte an seiner Rückseite Kaltluft arktischen Ursprungs nach Süden, die sich wegen der weiten Strecke über dem Kontinent nicht erwärmen konnte. Die Warmluft auf der Vorderseite des Tiefs gelangte aber nicht nach Europa, sondern in einem schmalen Bereich lediglich bis nach Südgrönland.

Bei uns zeichnete hingegen ein Tief nordwestlich von Irland für die Zufuhr milder Luftmassen atlantischen Ursprungs verantwortlich. Dessen Kaltluft flutete aber nicht Nordamerika, sondern bloß den Ostatlantik.

2. 19. Jänner, Frühlingswärme in den Nordalpen und am Alpenostrand

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Am vergangenen Sonntag war die Lage ähnlich, wenn nicht identisch, denn es gab mehrere Tiefdruckableger, etwa über Kanada mit erneuter Kaltluftzufuhr, und über Neufundland, wo das Tief einen Warmluftberg vor sich herschob.

In Europa hatten sich Tiefdruckgebiete auch im westlichen Mittelmeerraum gebildet, sie steuerten warme Luft von Nordafrika in den Alpenraum. Da bei südlichen Strömungen häufig Föhn im Spiel ist, wurde die warme Luft aus der Höhe bis zum Boden herabgedrückt. Entsprechend gab es nämlich – wie schon über weite Strecken des Winters – die extremen Höchstwerte nur nördlich des Alpenhauptkamms sowie stellenweise am Alpenostrand und im südöstlichen Flachland, wo die Luft von der Adria übers Dinaridische Gebirge muss, und weiter noch über die slowenischen Alpen, und entsprechend stark abgetrocknet und erwärmt Österreich erfasst.

Erkenntnis:

Nicht ein einzelnes Tief ist für die Wetterextreme verantwortliche, sondern es sind mehrere Tiefdruckgebiete beteiligt. In den USA sitzt es seit Monaten immer wieder zwischen den Großen Seen und Neufundland, so dass die kältestmögliche Luftmasse von der Arktis über den Kontinent nach Süden strömen kann.  In Europa stellt sich dagegen immer wieder Tiefdruckeinfluss über dem Mittelmeerraum ein. Dieser ist auch für die teils beträchtlichen Neuschneemengen im Südalpenraum verantwortlich. Im Gegensatz zum Vorjahr, als es auch im Nordosten immer wieder starke Schneefälle gab, ziehen die Mittelmeertiefs heuer nicht weiter zum Balkan und Osteuropa, sondern verharren über Norditalien. Damit setzt sich nach Ende einer Südföhnperiode keine kältere Luft durch, wie üblich, sondern es bleibt mild.

Möchte man die Aussage also kindgerecht verkürzen, müsste es heißen:

Laut Meteorologen“ verantwortlich für die Wärme bei uns sei ein Mittelmeertief mit Föhn, für die Kälte in den USA hingegen ein kräftiger Sturmwirbel über Kanada.

Die amerikanischen Medien sind da genauer:

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Was ist ein Polarwirbel?

Ein beständiges, großräumiges Tiefdruckgebiet in der Höhe nahe einer oder beider der Erdpole.

Es existiert IMMER an den Polen, aber schwächelt im Sommer und verstärkt sich im Winter.

Viele Male im Winter bricht ein Stück des Wirbels ab und wird mit dem Strahlstrom nach Süden geschickt, was derzeit passiert.

Der Polarwirbel ist NICHT

  • etwas neues
  • etwas, das auf der Erdoberfläche passiert, sondern in der höheren Atmosphäre
  • etwas, das sichtbar beobachtet wird wie Tornados, Trichterwolken, Gewitter, Blitze, etc.
  • etwas, das für sich gefährlich für Menschen ist, aber die damit verbundene kalte Arktikluft auf der Oberfläche kann dies sein.

Zum Abschluss drei Beispiele, wie die großräumige Strömung über der Nordhalbkugel derzeit aussieht (19.1.14), bei einem markanten Kaltluftvorstoß über Mitteleuropa aussah (26.1.2006) und während der Orkantiefserie an Weihnachten (26.12.1999):

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Die Lage des Atlantikbergs (Hoch) ist für Winter im Alpenraum entscheidend!

  • a) Oberste Graphik: Das Hoch liegt zu weit westlich auf dem Nordatlantik, entsprechend befinden wir uns auf der warmen Seite des Tiefs.
  • b) Mittlere Graphik: Das Hoch liegt östlicher und ist stärker ausgeprägt, entsprechend wird Kaltluft von Russland her nach Mitteleuropa gebracht.
  • c) Untere Graphik: Die Strömung ist zonal, also West-Ost gerichtet. Dies fördert kleinräumige Sturm- und Orkantiefentwicklungen mit hoher Fortbewegungsgeschwindigkeit.

Meinem subjektiven Empfinden nach befinden wir uns seit einigen Jahren häufiger zwischen a) und b) als bei c, nachfolgend treten seltener die ersehnten Schneebringer für die Nordalpen, die Nordwestlagen auf, dafür häufiger Südlagen. Der Winter 2013/2014 war bisher gekennzeichnet von einer ungewöhnlich langen Abfolge von Südlagen zwischen Mitte Dezember und Ende Jänner.