Schneefall ist kein Beweis gegen die Klimaerwärmung.

Luftmassen-Satellitenbild vom Samstag, 2. Dezember 2023, 11 Uhr Lokalzeit – links Höchstwerte Deutschland (verbreitet Dauerfrost), rechts Höchstwerte Balkan (einzelne Sommertage in Serbien), Quelle: Kachelmannwetter.com

Wie von mir erwartet, haben die Zweifler und Leugner der menschengemachten Erderwärmung mit dem Wintereinbruch zu Dezemberbeginn Hochkonjunktur. Dauerfrost und Starkschneefall würden also gegen die Erwärmung sprechen, nachdem der September und Oktober jeweils historisch zu warm ausgefallen sind, und zwar nahezu weltweit, nicht nur in Österreich oder Deutschland. Das ist mitnichten richtig! So kalt und schneereich es derzeit in Mitteleuropa ist, so rekordwarm ist es im Mittelmeerraum und am Balkan!

Präzisierung, um Missverständnissen vorzubeugen:

Die Großwetterlage selbst ist in den letzten 10 Jahren selten geworden, aber für sich genommen kein Indiz für die Erderwärmung. Auch Starkschneefälle sind für sich kein Beleg. Aber: Die einbezogene Warmluftzufuhr in die Tiefdruckentwicklung war noch nie so warm, und dadurch steigt auch die spezifische Feuchte, was im Trend der letzten 40 Jahre liegt. Hohe spezifische Feuchte in der -10°C bis -20°C-Schicht begünstigt Starkschneefälle.

Das Adriatief, das von Freitag, 01.12, auf Samstag, 02.12. über den Alpenraum zog, brachte historisch starke Schneefälle hervor. In München fielen 44cm Neuschnee innerhalb weniger Stunden, der Flughafen musste bis zum Folgetag geschlossen werden. Nur drei Mal seit 1954 hat München eine höhere Schneedecke gemeldet, zuletzt am 5. März 2006. Und noch nie im Dezember. Am Fichtelberg im Erzgebirge wurden am Sonntag 03.12., 75cm Neuschnee gemeldet.

In Wien (Hohe Warte) war es mit 22cm Neuschnee die höchste Schneedecke seit 10 Jahren (Februar 2013). Von der Jubiläumswarte bis Cobenzl rund 25cm, von Rodaun bis Auhof fielen 20cm, ebenso von Döbling bis Stammersdorf, innerstädtisch meist 10-15cm, am Zentralfriedhof 5cm, am Flughafen Wien 4cm. Der meiste Schnee in Wien fiel mittags in Zusammenhang mit einer Schauerlinie. Im Wienerwald fielen teilweise innerhalb von drei Stunden über 20cm Neuschnee.

Im Großraum Judenburg waren auch am Sonntag über 20 000 Haushalte ohne Strom, nachdem innerhalb weniger Stunden fast ein halber Meter feuchter Neuschnee gefallen war. Zahlreiche Bäume stürzten auf Stromleitungen, ganze Strommasten knickten um.

Auch in Graubünden (Schweiz) waren die Neuschneemengen außergewöhnlich. In der Slowakei gab es hingegen starken gefrierenden Niederschlag.

Rekordwärme im Mittelmeerraum und am Balkan

Orte mit neuen Temperaturrekorden (Karte: maps-for-free.com)

Klimawandel also abgesagt? Nein – nur Ausdruck zunehmender Wetterextreme! Denn am Balkan wurden neue Extremwerte bei den Höchsttemperaturen für Dezember aufgestellt, etwa in Zenica, Bosnien-Herzegowina mit 23,8°C (alt: 23,5 am 19.12.1989), weitere Rekorde:

Bosnien:

  • Sarajevo 19,1 (alt: 18,0 – 16. und 19.12.1989)
  • Mostar 19,8 (alt: 19,4 – 09.12.2010)
  • Bihac 21,1 (alt: 21,0 – 17.12.1989)

Serbien:

  • Belgrad 22,6 (vom 16.12.1989 egalisiert)
  • Novi Sad 21,6 (alt: 21,0 vom 17. und 19.12.1989)

Albanien: 25,2 in Durrës (alt: 24,4 am 16.12.2022)

Italien: Olbia 25,5 (alt: 23,9 am 17.12.89) und Florence 22,4 (alt: 20,4 am 16.12.89)

Zahlreiche weitere Extremwerte wurden aufgestellt, auch in Frankreich, auf Korsika und in Kroatien.

Was hat diese Extremwetterlage begünstigt?

Das Satellitenbild sagt bereits alles: Eine lehrbuchhafte, eingeringelte Okklusion überquerte die Alpen mit intensiven Aufgleitniederschlägen. Rückseitig wurde bodennah sehr kalte Luft mit Ursprung in Skandinavien herangeführt, in der Höhe dagegen sehr milde bis warme Luftmassen aus Südwesten über den zentralen Mittelmeerraum bis zum Balkan. Im Grenzbereich der Luftmassen gab es Starkschneefall in München, ein Gemisch aus gefrierenden Regen und Eiskörnern im Norden und Osten von Österreich und starken gefrierenden Regen über der Slowakei.

Vergleich der Großwetterlagen am 17. 12. 1989 (links) und am 2.12.2023 (rechts), Quelle: wetterzentrale.de (CFS Reanalysis und GFS Analyse)

Bei der Auflistung der Extremwerte im Süden fiel mir mehrfach der Zeitraum zwischen 16. und 19. Dezember 1989 auf, wo die alten Rekordwerte aufgestellt worden. Die Wetterlage ähnelte sich zum 2. Dezember nur in der Südwestströmung mit starkem Druckgradienten. Damals war jedoch ein kräftiges Zentraltief über Großbritannien die Ursache, mit einer wellenden Frontalzone von Spanien bis zur Ukraine. Dieses Mal zog das bestimmende Tief direkt über die Alpen auf einer Vb-Zugbahn nordostwärts. Der Gradient war am Balkan noch stärker ausgeprägt als vor 34 Jahren, dadurch entsprechend auch Föhneffekte über Gebirgsketten stärker ausgeprägt. Nicht zufällige traten einige der Extremwerte 1989 und 2023 im Lee von Gebirgsketten auf (siehe Karte oben).

24-Stunden Summen (aufgeteilt auf 2 Tage, weil Kachelmann keine 24-Std.-Summen von Österreich hat):

Niederschlagssumme von Freitag, 01.12., 19 Uhr, bis Samstag, 02.12., 07 Uhr MEZ (kachelmannwetter.com)
Niederschlagssumme von Samstag, 02.12., 7 bis 19 Uhr MEZ (kachelmannwetter.com)

Die gefallenen Niederschlagssummen zeigen den Schwerpunkt im Süden (in Teilen Unterkärntens bis in die Niederungen als Regen, so ging das Lavanttal bei Wolfsberg leer aus), sowie im Nordalpenbereich und Alpenvorland. Ohne das intensive Niederschlagsband um die Mittagszeit wäre der Alpenostrand gefloppt.

Für Starkschneefall ideal ist die Luftschichtung dann, wenn die spezifische Feuchte in der Schicht zwischen -10°C und -20°C in der Höhe hoch ist („dendritic growth layer“), im Radiosondenaufstieg sind das hier die grünen Linien, leider nicht beschriftet.

Alle folgenden Aufstiege stammen von kachelmannwetter.com:

München:

München am Samstag, 2.12., 00 UTC (rechts) und 12 UTC (links)

In München herrschte über 12 Stunden lang eine nahezu gesättigte Luftschicht vom Boden bis rund 500 hPa (5,5km Höhe). Die Temperaturkurve verläuft durchwegs auf der negativen Seite, anfangs isotherm, dann beinahe parallel zu den Sättigungsmischungslinien mit relativ hoher spezifischer Feuchte. Ideale Bedingungen also. Hinzu kommt die starke vertikale Windscherung und Intensivierung des Aufgleitens auf der Kaltluft.

Wien:

Wien am Freitag, 01.12., 12 UTC (links) und am Samstag, 02.12., 00 UTC (rechts)

Hier die hoffentlich korrekte Beschriftung der spezifischen Feuchte. Bemerkenswert am Freitag die nahezu isotherme Luftschichtung vom Boden bis 600 hPa (ca. 4km Höhe). Solche Wetterlagen haben auch schon mal in einem Julimonat in Innsbruck für Schneefall gesorgt – das geht dann nur über Isothermie. Hier gab es eine Kaltluftschicht am Boden, die zeitweise mächtig genug war, dass der nasse Neuschnee wieder angefroren ist und Eiskörner produziert hat. Tagsüber dominierten aber noch die knappen Plusgrade in der Höhe und es konnten sich nicht genügend Eiskristalle zu Schneeflocken anlagern. Ab Mitternacht verlagerte sich die Isothermie dann in den negativen Bereich. Die gesättigte Schicht wurde schmaler (bis 700 hPa, ca. 3km), darüber wurde es trockener, was die Niederschlagseffizienz verringert hat.

Wien am Samstag, 2.12., 00 UTC (links) und 12 UTC (rechts)

Das änderte sich am Vormittag, da wurde die Kaltluft mit dem immer höher reichenden Nordwestwind mächtiger, gleichzeitig nahm die Sättigung bis in höhere Schichten zu, bei weiterhin relativ hoher spezifischer Feuchte. Grob gesagt führt eine isotherme Schichten zwischen 0 und -5°C am Boden bis 4-5km Höhe zu idealen Bedingungen für starken Schneefall.

Samstag, 2.12., 12 UTC in Poprad-Ganovce (Slowakei, links) und in Nis (Serbien, rechts)

Beide Orte liegen 650km auseinander. In der Slowakei entfaltete sich eine gefährliche Lage mit gefrierendem Regen, mit deutlicher positiver Schicht in Bodennähe, aber klar negativen Bodentemperaturen. Ganz anders in Serbien mit trockenen und hochreichend durchmischten Luftmassen bis etwa 2,2 km Höhe. Darüber eine ausgeprägte Absinkinversion und über 20 Grad plus am Boden.

Nis (192m) liegt in einer einer Beckenlage mit Mittelgenbirgen bis 900m Höhe unmittelbar südöstlich der Stadt, der Flughafen, wo wahrscheinlich auch der Sondenaufstieg stattfand, liegt etwas nordwestlich vom Stadtzentrum

Zum Zeitpunkt der 21°C am Boden wehten lebhafte Südostwinde, damit fand die Überströmung der Gebirgskette (Suva planina) statt mit Föhneffekten. Im Dezember beträgt das mittlere Tagesmaximum normalerweise +5,8°C (1981-2010).

Fazit:

Die spezifische Feuchte nimmt in den letzten 40 Jahren kontinuierlich zu, sowohl über Wasser als auch über dem Land (Quelle: Met Office, Carbonbrief) – sie besagt, wie viel Wasserdampf im Verhältnis ur Gesamtmasse an Wasserdampf und Luft vorhanden ist

Das gesamte Ereignis ist kein Beleg gegen die Erderwärmung, sondern vielmehr dafür. Im Mittelmeerraum und am Balkan verbreitet für die Jahreszeit erheblich zu warm, teilweise über 15°C über dem Mittel. Vor allem entlang der Nordalpen wurden hohe Neuschneezuwächse innerhalb weniger Stunden registriert. Möglich machte es das Zusammenspiel aus intensiver Tiefdruckentwicklung, starker Kaltluftadvektion am Boden und starker Warmluftadvektion in der Höhe. Lehrbuchhaftes Aufgleiten bei hoher spezifischer Feuchte. Pro Grad Erwärmung kann die Atmosphäre 7% mehr Wasserdampf aufnehmen. Im Sommer führt das zu Starkregen, im Winter zu Starkschneefall.

2 Gedanken zu „Schneefall ist kein Beweis gegen die Klimaerwärmung.

  1. franzzeiler

    Servus Felix,
    danke für die Analyse. Solche “Gegenstromanlagen” – gut zu erkennen im Sounding für Wien von Sa mittags – bergen hohes NS-Potential in sich.
    Mit Klimawandel hat das Ereignis nichts zu tun. Es ist der Druckverteilung zum Monatswechsel geschuldet. Die Blockinglage mit Hoch von Grönland bis zur Karasee führte zu einer Austrogung von Skandinavien bis zur Iberischen Halbinsel. An der Trogvorderseite bildete sich eine scharfe Luftmassengrenze quer über die Ostalpen. In der Höhe dominierte eine starke SW-Strömung, mit der bis weit in den Sa feuchtmilde Mittelmeerluft über die Ostalpen gesteuert wurde. Bodennah sickerte von NW ab Fr abends langsam kühlere Luft polaren Ursprungs ein. Dass es dabei im S am meisten und längsten regnete, ist nicht verwunderlich. In Slowenien und Kroatien gab es am Sa nachmittags sogar ansehnliche Gewitter.
    Ich vermute, dass das Ereignis eine Folge des “Canadian Warming” des stratosphärischen Polarwirbels und die Kopplung mit der Troposphäre ist. Reflektive Polarwirbelstörungen sind immer für kurze Überraschungen beim Wettergeschehen irgendwo in der nördl. Hemisphäre gut; in beide Richtungen .
    LG, Franz

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    1. Forscher Autor

      Servus Franz, die Tiefentwicklung selbst ist zwar selten um diese Jahreszeit, aber nicht ungewöhnlich an sich. Die Höchstwerte vorderseitig und der Anstieg der spezifischen Feuchte ist aber sehr wohl auf die Erwärmung zurückzuführen, oder anders gesagt: ähnliche Wettereignisse bringen jetzt mehr Wärme, mehr Niederschlag. Lg Felix

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