Hochwasserlage in Süddeutschland: Der Anteil der Erderwärmung

Hausgemachte Potenzierung der Katastrophe

Ebenso wie die Flutkatastrophe in der Eifel am 14.-15. Juli 2021 und das große Hochwasser im Saarland und Rheinland-Pfalz vom 16.-18. Mai 2024 hat sich auch das Hochwasserpotential über Süddeutschland vom 30. Mai bis 2. Juni 2024 tagelang abgezeichnet. Die Wettermodelle haben die Niederschlagsmengen eher ein wenig zurückgefahren, unter Vorbehalt, da die konvektive Natur beibehalten wurde. Konvektive Verstärkung sorgt immer für höhere tatsächliche Gesamtmengen als stratiform gerechnete Modellniederschläge. In den Medien wurde auch frühzeitig getrommelt und von einem möglichen Jahrhunderthochwasser gesprochen. Durch rechtzeitige Vorbereitungen konnte (Stand 02. Juni 2024) eine hohe zivile Opferzahl vermieden werden.

Ein überregionales Donauhochwasser war leider überfällig, zuletzt Anfang Juni 2013 aufgetreten, als entlang der Donau bei Passau die höchsten Wasserstände seit über 500 Jahren gemessen wurden. Mit 2010, 2008, 2005, 2002, 1999 gab es die Jahre davor regelmäßig größere Hochwässer an Donau und Inn. So gesehen stellten die letzten elf Jahre eine außergewöhnliche Ruhephase dar. Und dennoch kamen die Regionen vergleichsweise glimpflich davon, denn die Schneefallgrenze sank während dem Hauptereignis am 30. Mai und 1. Juni zeitweise gegen 1400m Seehöhe ab. Dadurch konnte viel Niederschlag in den Nordalpen in fester Form gebunden werden und wurde nicht unmittelbar abflusswirksam. Wie die Fallstudie zeigen wird, lag der Niederschlagsschwerpunkt im Alpenvorland, mit Ausnahme des Bregenzerwalds.

Wie bei jedem Hochwasser spielen neben dem gefallenen Niederschlag auch menschliche Einflüsse wie Flussbegradigungen und Verringerung von natürlichem Überschwemmungsgebiet eine wichtige Rolle. Wo sich vor hundert oder zweihundert Jahren Bäche und Flüsse noch ungehindert ausbreiten konnten, erhöht sich jetzt die Fließgeschwindigkeit und der Pegelstand, was bei anhaltendem Wasserdruck dann zu Deich- und Dammbrüchen wie an der Paar führen kann.

Zur Einordnung des Hochwassers muss man daher berücksichtigen, dass das Ausmaß des Hochwassers nicht außergewöhnlich verglichen mit Pfingsten 1999, August 2002 oder Juni 2013 ist. Wohl aber bewegen sich die Niederschläge selbst gebietsweise im Bereich eines 100jährlichen Ereignisses. In Bregenz wurde ein neuer Mairekord mit 148mm Tagesniederschlag aufgestellt. Am Pfänder fielen in 3 Tagen sogar 228mm. Die Ursache für diese Extremniederschläge hängt dann sehr wohl mit der Erderwärmung zusammen, denn Nord- und Ostsee sowie die Obere Adria sind teilweise deutlich wärmer als im langjährigen Mittel – und von dort kam diese feuchte und hochlabile Luftmasse.

Die Wetterlage war ein Klassiker für Hochwasserlagen:

500 hPa Geopotential und Temperatur, Bodendruck und relative Topographie am Freitag, 31. Mai 2024, 14 Uhr MESZ

Ein ausgeprägter Höhentiefkern sitzt über Oberitalien. Vorderseitig strömen in der Höhe hochlabile Luftmassen um den Alpenbogen herum nach Mitteleuropa. Das zugehörige Bodentief sitzt an der Oberen Adriaküste sowie als Tiefdruckrinne über Tschechien bis Deutschland reichend. Damit herrscht bodennah eine lebhafte Nordwestströmung, mit der die Regengebiete gegen die Alpen gepresst werden, bzw. sich die herumgeführte Okklusionsfront für viele Stunden über Süddeutschland kaum von der Stelle rührt. Wie schon beim Saarland-Hochwasser kommt die bodennahe Luft nicht (nur) von der Adria, sondern (auch) von der Ostsee:

Rückwärtstrajektorien für München bis Samstag, 01.06.2024, 20 Uhr MESZ:

Links: SST Anomalien am 31. Mai 2024 im Atlantik-Ausschnitt: Ostsee 4-5K zu warm, Nordsee 3-4K, Obere Adria 1-2K, rechts: Herkunft der Luftmasse in München am Samstag, 01.06.24, 20 Uhr MESZ – von dem erhöhten Feuchte- und Labilitätsangebot der Gewässer wurde profitiert; Quellen: NOAA/wetter3

Links die Abweichungen der Meeresoberflächentemperatur im Nordatlantik am Vortag, rechts die Herkunft der Luftmasse ab 26. Mai. Blau und grün war immer bodennah und wurde erst am Enddatum angehoben, sie stammten von der Oberen Adria bzw. Ostsee und Nordatlantik. Rot sank die Luftmasse vom Atlantik her ab und drehte sich dann um den Höhentiefkern ein. Es bleibt festzuhalten, dass teilweise Luftmassen von der deutlich zu warmen Ostsee einbezogen wurden. Pro Grad Erwärmung der Luftmasse kann die Luft 7% mehr Wasserdampf aufnehmen.

Rückwärtstrajektorien für das Epizentrum Augsburg, Enddatum 02. Juni 2024, 02 Uhr MESZ:

Quelle: NOAA Hysplit Model, GFS-Daten

Auch in Augsburg wurden Luftmassen aus den zu warmen Gewässern in die Zirkulation des Höhentiefs einbezogen. Die höhere Luftmasse (grün) markiert die Zufuhr hoher Labilität von Osten her.

Radiosondenaufstieg Stuttgart und München, jeweils 31. Mai 2024, 14 Uhr MESZ:

Quelle: kachelmannwetter.com/radiosondenaufstiege

Das Vertikalprofil beider Aufstiege zeigt eine gesättigte und dennoch schwach labile Schichtung in den untersten 4km Höhe der Atmosphäre. Hier fand die effektive Niederschlagsverstärkung statt. Bodennah dominieren Nordwestwinde, darüber Nordostwinde in Stuttgart bzw. Südostwinde in München.

Repräsentative Satellitenbilder:

Freitag, 31.05.24, 15 Uhr, Samstag, 09.05 und 15 Uhr, Quelle: Satellit HD von Kachelmannwetter

Am Freitag und Samstagvormittag war das Niederschlagsgebiet über Süddeutschland noch deutlich konvektiv durchsetzt mit den höchsten Niederschlagsraten. Zum Samstagabend hin nahmen die Raten vorübergehend ab, weil die Bewölkung zunehmend ausschichtete (stratiformer wurde). Über Polen und Tschechien war aber bereits der langgestreckte Bereich zu erkennen, in dem weitere labile Luft mit ergiebigen Gewitterniederschlägen aus Nordosten herangeführt wurde.

Dies sah man besonders gut am Samstagabend im Deutschland-Ausschnitt:

Samstag, 01. Juni 2024, 19 Uhr

Von Mittelfranken über Thüringen bis Brandenburg zogen großflächige Gewittercluster durch, die auch in der Nacht auf Sonntag, 02. Juni, auch in Nordbayern für deutliche Pegelanstiege an den Nebenflüssen vom Main sorgten, vor allem stellenweise am Obermain sowie im Regnitz-Einzugsgebiet. Diese Regengebiete breiteten sich unter Abschwächung nachtsüber nach Süden aus.

Niederschlagskarten

Da das Ereignis erst am Dienstag, 04. Juni 2024, endet, kommen hier noch ein paar Ergänzungen.

Radar-24-Stunden-Niederschlag für Bayern am Freitag und Samstag, Quelle: HND BAYERN

Der Radarniederschlag zeigt die Schwerpunkte eindrucksvoll am Freitag, 31.05., in der Bodenseeregion und in Schwaben. Am Samstag war auch das westliche Oberbayern verstärkt betroffen, abgeschwächt auch Mittel- und Oberfranken sowie die Oberpfalz und Niederbayern. Am Regen wurde kurzzeitig die höchste Meldestufe 4 erreicht, sonst blieben sie meist bei 1-2, lokal 3. Am Main sind Sommerhochwasser sehr selten und sorgen am Untermain selten für Pegelstände über 3,50m (normal: um 1,50m).

24-Stunden-Niederschlagssummen am Donnerstag, 30.05., Freitag, 31.05., Samstag, 01.06. – Quelle: kachelmannwetter.com

Am Donnerstag begann das Ereignis am Alpennordrand, am Freitag war der Höhepunkt mit verbreitet dreistelligen Mengen vom Bodensee über Schwaben bis Oberbayern. In Bregenz waren es in 72 Stunden stattliche 175mm, am Pfänder 228mm, verbreitet waren es 90-150mm in 48 Stunden. Die relativ niedrige Schneefallgrenze von 1400-1900m hat in Vorarlberg schlimmere Bilder verhindert, auch wenn die Leiblach östlich vom Bodensee kurzzeitig ein 100-jährliches Hochwasser erreichte. In Augsburg wird seit 1947 gemessen. Der bisherige Rekord von 71mm (10.6.1965) wurde mit 96mm am 31.05.24 deutlich überboten. Am Samstag schwächten sich die Spitzenmengen deutlich ab, dehnten sich dafür nach Nordbayern aus und blieben in den am schwersten betroffenen Gebieten in Schwaben und Oberbayern weiterhin hoch.

72-Stunden-Niederschlagssumme bis Sonntag, 02.06., 07.50 MESZ, mit Stationsmessungen kalibriert:

Quelle: kachelmannwetter.com

Ein großes Maximum mit über 100mm erstreckt sich vom Bodenseegebiet über Augsburg bis Ingolstadt. Ein sekundäres Maximum trat im Nordweststau entlang der Schwäbischen Alb auf und sorgte dort teilweise für ein 20-jährliches Hochwasser.

Auswirkungen

Bei Meldestufe 4 laut Hochwassernachrichtendiensten werden „bebaute Gebiete in großem Umfang überflutet“. Sonntagvormittag befanden sich 9 Pegel in der höchsten Meldestufe. Der Schwerpunkt konzentrierte sich dabei auf die Unterläufe, was bereits für die fatale Lage spricht – da in diesem Gebiet die Flusstäler kaum Gefälle aufweisen und sich die Fluten entweder hunderte Meter bis kilometerweit ausbreiten können oder durch Deiche und Dämme eingezwängt aufstauen und so den Wasserdruck erhöhen.

Meldestufen-Status am Sonntag, 02.06.2024, 10 Uhr MESZ

Neue Rekordwasserstände

An einzelnen Pegeln der südlichen Donauzuflüsse wurden die Rekordwasserstände von 1999, 2002, 2005 und 2013 überschritteneine Auswahl:

  • Fleinhausen (Zusam): 220cm (2005: 185cm)
  • Achsheim (Schmutter): 187cm (2005: 162cm)
  • Manching (Paar): 302cm (21 Uhr; 2006: 285cm)
  • Nattenhausen (Günz): 307cm (2002: 265cm)
  • Hohenkammer (Glonn): 387cm (1994: 350cm)
z.B. an der Schmutter noch am 1. Juni 2024
Die Scheitelwelle wurde am Sonntag, 02. Juni 2024 um 14 Uhr mit 421cm erreicht.

Dammbrüche bei Augsburg und Ingolstadt

(Kartenquelle: Open Topo Map)

02.06.24, 12.03 Uhr: Dammbruch im Bereich Stockau zwischen Reichertshofen und Baar-Ebenhausen sowie Rottmannshart, nahe der Mündung.

Zuvor trat bereits ein Dammbruch im Ortsteil Anhausen von Diedorf südwestlich von Augsburg auf, der ebenfalls Evakuierungen nach sich zog. Der Anhauser Bach mündet in die Schmutter.

Stand, 02.06., 21.30: Weitere Orte zwischen Donau und Schmutter mussten am Sonntagabend wegen aufgeweichter Dämme evakuiert werden (Live-Ticker NTV).

Hohe Wasserstände werden auch aus Baden-Württemberg aus dem Einzugsgebiet des Neckars gemeldet.

Quelle: hochwasserzentralen.de, Stand 02.06.24, 21.29 Uhr

An der Kocher in Kocherstetten bewegt sich der Spitzenabfluss mit rund 480m³/s im Bereich eines HQ50, an der Prim in Göllsdorf mit 120 m³/s deutlich über HQ100 (89,7m³/s). Auch andere Pegel liegen am Sonntagabend im Bereich eines HQ100. Da die anderen Zuflüsse aus dem Nordschwarzwald her aber kaum beitragen, dürfte sich das Neckar-Hochwasser selbst in Grenzen halten, HQ20 ist aber möglich.

In Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) entgleisten nach einem Erdrutsch zwei Waggons eines ICE mit 185 Menschen an Bord, die Passagiere blieben unverletzt.

Am Sonntag, 02.06, kam es im Zuge von abendlichen Starkniederschlägen mit Spitzen um 100-150mm in wenigen Stunden auch im Einzugsgebiet des Neckars zu extremen Überflutungen, wie in Ebersbach an der Fils oder im Wieslauftal.

Flutwelle in Ebersbach an der Fils westlich von Göppingen (Bahnstrecke über Geislinger Steige betroffen), rapider Wasserstandsanstieg in Haubersbronn bei Schorndorf im unteren Wieslauftal

Flutwelle auf die B10 in Ebersbach (Video, 1min 44 Sek)

Bericht zu den Überflutungen Sonntagabend im Rems-Murr-Kreis

Die Niederschlagsprognosen vom Sonntagabend zeigten vor allem am Alpennordrand weitere Starkniederschläge durch ein weiteres Höhentief bzw. Adriatief.

akkumulierten Niederschläge bis Dienstag, 04.06., 00 Uhr von kachelmannwetter.com

Meine Prognose vom Sonntagabend: Ein weiteres Höhentief, das sich am Montag südlich an Österreich vorbeimogelt, sendet erneut labil geschichtete und sehr feuchte Luftmassen aus Nordosten in die Katastrophengebiete, bzw. wird nach jetzigem Stand auch in den Oberläufen für Wiederanstiege sorgen, die sich mangels Platz dann auf die hohen Wasserstände in den Unterläufen aufsetzen. Erst im Laufe des Montags, evtl. erst in die Nacht auf Donnerstag entspannt sich die Hochwasserlage deutlich und die Scheitelwellen laufen ab bzw. sinken die Wasserstände dann überall.

Verifikation:

24-Stunden kalibrierte Niederschlagsanalyse von Kachelmann, von Sonntag, 02.06., 23.50 Uhr bis Montag, 3.06., 23.50 Uhr

Insbesondere am Alpennordrand wurde der Niederschlag dramatisch unterschätzt, dort fielen verbreitet 50 bis 90mm, im Bereich der Bayrischen Alpen lokal um 120mm. Entsprechend schrammten die Abflüsse im Mangfallgebirge nur knapp an neuen Extremwerten vorbei. Neue Rekorde gab es dafür in Österreich: In Linz gab es mit 71mm einen neuen Tagesniederschlagsrekord – der alte stammte aus dem Jahr 1947 mit 47mm. In der Wiener Innenstadt und in Wien-Floridsdorf fielen 72mm bzw. 70mm in 24 Stunden bis Dienstag, 04.06., 08 Uhr MESZ.

Blick auf das Adriatief am Montag, 03. Juni 2024, 17 Uhr MESZ (Quelle)

Das Satellitenbild vom Montagnachmittag zeigte die langgestreckte Okklusionsfront von Nordtirol über das nördliche Österreich bis in die Slowakei, in der etliche eingelagerte Gewitter und Starkregenschauer für die hohen Niederschlagsmengen in kurzer Zeit verantwortlich waren. Süddeutschland selbst war zum Glück kaum betroffen. Rumänien, Serbien und Bulgarien lagen in einem seltenen Level-3-Risikogebiet wegen der Gefahr von sehr großem Hagel, Orkanböen und Tornados. Dort dauerte es wegen abschattender Bewölkung länger und der Fokus lag etwas östlicher als vorhergesagt.

Hochwasser-Wellen an Donau und Neckar

Durch die Starkniederschläge vom Sonntagabend bis Montagabend kam es teilweise zu Wiederanstiegen in den Oberläufen und zu einer einer geringen Verschärfung der Scheitelwelle.

Passau-Marienbrücke (Inn): 707cm (04.06.24, 13 Uhr), Meldestufe 3 (Rekord: 03.06.2013: 1028cm, mit Rückstau Donau)

Scheitelwelle Donau

(Stand: 04.06.24, 07 Uhr)

PegelHöchstwert(alter) Rekord:Abfluss (m³/s)alter Rekord
Neu-Ulm, Bad Held507cm (01.06.24, 23 Uhr)571cm (23.05.1999)10201250 (29.12.1882)
Günzburg421cm (02.06.24, 14 Uhr)403cm (24.08.2005)11891120 (23.05.1999)
Dillingen604cm (02.06.24, 20 Uhr)592cm (24.05.1999)12101270 (30.12.1882)
Donauwörth567cm (04.06.24, 12 Uhr)577cm (14.04.1994)13101340 (14.04.1994)
Neuburg647cm (04.06.24, 18 Uhr)734cm (23.05.1999)1950/
Ingolstadt642cm (05.06.24, 04 Uhr)632cm (25.08.2005)18602270 (24.05.1999)
Kelheim756cm (05.06.24, 12 Uhr)796cm (24.05.1999)19702200 (31.03.1845)
Regensburg (Schwabelweis)633cm (05.06.24, 01 Uhr )693cm (04.06.2013)21603880 (30.03.1845)
Straubing722cm (05.06.24, 00 Uhr)795cm (05.06.2013)//
Deggendorf745cm (05.06.24, 11 Uhr)806cm (04.06.2013)//
Vilshofen670cm (05.06.24, 15 Uhr)728cm (04.06.2013)//
Passau (vor Inn)1000cm (04.06.24, 13.15 Uhr)1289cm (03.06.2013)//
Passau/Ilzstadt972cm (04.06.24, 13 Uhr)1279cm (03.06.2013)585010000 (03.06.2013)
Engelhartszell (OÖ)765cm (04.06.24, 14.30 Uhr)1096cm (10.07.1954)//
Linz712cm (04.06.24, 15.30 Uhr)971cm (11.07.1954)//
Mauthausen666cm (04.06.24, 17.15 Uhr)920cm (11.07.1954)//
Kienstock (NÖ)772cm (04.06.24, 18 Uhr)1081cm (04.06.2013)676011450 (04.06.13)
Korneuburg 632cm 05.06.24, 00 Uhr)809cm (05.06.2013)7090
(Donau-Scheitelwelle)

Im Oberlauf von Schwaben führten die Wiederanstiege der südlichen Nebenflüsse der Donau zum Abflussrekord in Günzburg. Im mittleren Lauf bis Passau ist der Scheitel langgestreckt als eine Plateauwelle.

Ab Passau wurde der Scheitel vorzzeitig durch das Inn-Hochwasser erreicht, das mit den Starkniederschlägen bis 120mm im Einzugsgebiet (Mangfallgebirge und ostwärts) am Montag, 03.06.24, kurz vor der Mündung Meldestufe 3 erreichte.

Scheitelwelle Neckar

Rottweil (Oberlauf)358cm (02.06.24, 22.30)406cm (26.03.1953)
Plochingen 532cm (03.06.24, 03.45)579cm (24.05.1978)
Gundelsheim776cm (02.06.24, 22.15)895cm (21.12.1993)
Heidelberg512cm (03.06.24, 13.30)661cm (22.12.1993)
(Neckar-Scheitelwelle)

Zusammenfassung

In Teilen Baden-Württembergs und Bayerns fielen 24-Stunden-Niederschläge, wie sie nur alle 100 Jahre oder noch seltener vorkommen.

Das Hochwasser vom 30. Mai bis 03. Juni 2024 (die Scheitwelle der Donau wird noch ein paar Tage länger unterwegs sein) ist in meinen Augen eher vergleichbar mit Westdeutschland 2021 und Südwestdeutschland 2024 als mit den überregionalen Flutwellen von 2002 oder 2013. Der Grund dafür ist die Dimension des Hochwassers auf die Fläche der betroffenen Gebiete bezogen. Wir haben weniger großflächige Niederschläge als regional begrenzte Extremniederschläge, die unmittelbar abflusswirksam werden. Lokal begrenzte Flutwellen wie im Bereich der Schwäbischen Alb wurden durch große Mengen innerhalb von wenigen Stunden verursacht und nicht durch Dauerregen über mehrere Tage hinweg, wie etwa in Schwaben und Oberbayern. Diese Regionalisierung durch ergiebige Niederschläge innerhalb kurzer Zeit ist eher typisch für regionale Hochwässer als ein Ereignis, das mehrere Länder gleichzeitig stark betrifft.

Wie schon bei den letzten Hochwasserereignissen spielt die Herkunft der Luftmasse eine wesentliche Rolle in der Verschärfung der (feuchtlabilen) Niederschläge. Es würde mich nicht verwundern, wenn entsprechende Attributionsstudien eine Beteiligung der globalen Erderwärmung zeigen, da sämtliche Gewässer, vom Nordatlantik über Nordsee, Obere Adria bis zur Ostsee zum Teil sehr deutlich zu warm sind.

„Glück im Unglück“

Man muss auch klar betonen, dass wir kein „worst case“-Szenario gesehen haben für das Potential dieser Hochwasserlage!

Am Neckar blieb das Hochwasser teilweise deutlich unter den Rekordwasserständen, mutmaßlich, weil Nordschwarzwald und die nördlich angrenzenden Zuflüsse kein starkes Hochwasser führten.

Für die Oberläufe der südlichen Donauzuflüsse wurden dank der niedrigen Schneefallgrenze (unter 2000m) die Extremniederschläge von 150-200mm innerhalb weniger Tage in weitaus geringerem Ausmaß abflusswirksam als dies bei den Hochwasser-Ereignissen von 2005 oder 2013 der Fall war. In den mittleren und unteren Abflussgebieten wurde der Starkniederschlag hingegen 100% abflusswirksam, weil die Regionen deutlich unterhalb der Schneefallgrenze liegen.

Für die Landwirtschaft und Infrastruktur, aber natürlich auch die betroffenen Anrainer ist das Hochwasser dennoch eine Katastrophe. Verbreitet kam und kommt es zu Stromausfällen, immense Schäden in der Landwirtschaft und für flussnahe Betriebe, Zerstörung von Bahnlinen. Nur teilweise sind die Probleme „hausgemacht“, wenn aus politischem Kleingeld auf Hochwasserdämme verzichtet wurde, aber auch Bebauung in (nicht mehr) ehemaligen Überschwemmungsgebieten zugelassen wurde. Das ändert jedoch nichts an den faktischen Rekordniederschlägen.

Die Unwetterlage ist noch nicht ausgestanden. Die bestehenden Deiche und Dämme sind durch tagelang hohe Wasserstände zunehmend durchweicht und anfällig für weitere Brüche. Das Wasser wird Tage brauchen, bis es wieder in die Flussbette zurückfinden wird. Grundwasserspiegel bleiben noch länger erhöht. In den überschwemmten Regionen schlüpfen in den nächsten Tagen und Wochen aus Millionen Larven Überschwemmungsgelsen. Diese stechen schnell und sehr aggressiv, vor allem in der Dämmerungszeit.

Die Lage ist aber auch meteorologisch noch nicht ausgestanden. In den kommenden Tagen (Dienstag bis Donnerstag) werden die Niederschläge zwar zunehmend nurmehr punktuell auftreten, aber im Prinzip wird jeder kräftige Schauer- oder Gewitterregen in den betroffenen Regionen von Süddeutschland gleich zu 100% abflusswirksam. Ab Freitag zeichnet sich wieder eine wärmere, deutlich labilere und potentiell gefährliche Lage ab, da sich größere Gewittercluster bilden können und so regionale Starkniederschläge möglich sind. Ab Sonntag, 10.06.24, besteht ebenfalls nach unterschiedlichen Wettermodellen das Risiko einer weiteren überregionalen Hochwasserlage im Alpenraum.

Abschließend noch ein paar Eindrücke von der Donau zwischen Wien und Schwechat (Zeitraum: Unmittelbar vor bzw. nach der Scheitelwelle)

Radweg Simmeringer Lände am Donaukanal gegenüber Freudenauer Hafen am Dienstag, 04.06.24, gegen 17.15 Uhr MESZ

Zu diesem Zeitpunkt konnte man den Radweg gerade so noch befahren, wobei das Wasser an einzelnen Stellen bereits so tief war, dass ich mit den Sandalen beim Treten vollständig eintauchte. In Mannswörth waren die tiefergelegenen Radwegabschnitte bereits gesperrt (Balken unten), konnten aber umfahren werden, ohne auf die Hauptstraße ausweichen zu müssen (habe ich erst beim Rückweg festgestellt).

Folgende Bilder sind am Rückweg Mittwochmorgen zwischen 07.50 und 8.25 Uhr MESZ entstanden:

Großflächiger Rückstau der Schwechat, die nördlich von Mannswörth zwischen Kirchenhaufl und Nutzwiese parallel zur Donau fließt.
Überflutete Felder beim „Milleniumswald am Schafpferch“ direkt beim Kirchenhaufl
Das Wasser reichte bis an den Schutzdamm heran, auf dem der Radweg zwischen Mannswörther Sportplatz und Uferpromenade verläuft.
Rückstau der Donau in der Schwechat mit leichten Ausuferungen, hier am westlichen Ortsende von Mannswörth
Schneidergrund, bei Hochwasser vom Albernen Hafen her über das „Blaue Wasser“ geflutet.
Beginn des Radwegs oberhalb der Freudenauer Hafenbrücke
Zum Vergleich: Am Abend war der Weg bis zur Brücke noch befahrbar
Gaswerksteg: Blick stromaufwärts zur Erdberger Brücke – Kaum erkennbare Fließgeschwindigkeit beim Pegelhöchststand, aber mit Ausuferungen
Die Neue Donau wurde zur Entlastung des Hauptstroms geflutet, damit gab es auch dort Ausuferungen, hier vom Nasenweg am Leopoldsberg um 12 Uhr (nach dem Scheitel) fotografiert

In Wien war der Pegelstand seit 2013 nur einmal höher, und zwar am 18. Juli 2021, als innerhalb von 24 Stunden im gesamten Einzugsgebiet auf österreichischem Gebiet verbreitet 50-120mm fielen. Damals stieg der Pegelstand deutlich schneller an, nämlich um 3m innerhalb von 24 Stunden.

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