Begriffswirrwarr um die Glatteisbildung

Teile Mitteleuropas werden derzeit von Glatteisbildung heimgesucht, wie sie sowohl im Ausmaß als auch in der Mächtigkeit nur alle paar Jahrzehnte vorkommt. In Slowenien sind teilweise bis zu 40 Liter pro Quadratmeter als gefrierender Regen gefallen, auch in Ungarn, im Norden Kroatiens, in Unterkärnten, in der südlichen Steiermark, in weiten Teilen des Burgenlands bis nach Niederösterreich gab es millimeter- bis zentimeterdicke Eisschichten auf den Straßen, auf Autos und in den Wäldern. Umgestürzte Bäume sind die Folge, auch Oberleitungen stürzen aufgrund der Eislast zusammen. Andauernde Stromausfälle, fehlende Heizung und ein zusammenbrechender Verkehr machen den Menschen zu schaffen.

So weit so schlecht. Ein Begriffswirrwarr existiert dann, wenn es darum geht, was da eigentlich vom Himmel fällt, und was da am Boden friert. Darum ein paar Begriffsdefinitionen:

Meteorologen nennen es Glatteis, die Boulevardmedien hingegen Blitzeis. Letzterer Begriff soll wohl suggerieren, dass Eisbildung unerwartet auftritt. Das ist aber nicht immer Fall, in Fällen wie derzeit ließ sich die Glatteisbildung sogar sehr gut prognostizieren, da die Frostschicht am Boden sehr ausgeprägt war, ebenso die Warmluftnase in der Höhe.

Eisregen ist ein missverständliches Synonym für gefrierenden Regen, da nicht Eis vom Himmel regnet, sondern sich erst am Boden bildet.

Glatteis tritt in Erscheinung als …

gefrierende Nässe, wenn

  • unterkühlte Wolkentropfen einer Nebelschicht auf gefrorenem Boden zu Eis gefrieren.
  • Reif, Schnee durch Wind und steigende Temperaturen von den Bäumen fällt, in der Sonne taut und nach Sonnenuntergang wieder gefriert
  • es regnet und nachfolgend die Temperatur wieder in den Frostbereich sinkt 

gefrierender Regen , wenn

  • unterkühlter, flüssiger Niederschlag an Gegenständen festfriert
  • flüssiger Niederschlag auf gefrorenen Boden fällt

Eiskörner entstehen, wenn Schneeflocken in eine wärmere Luftschicht fallen, schmelzen, und wieder in eine mächtige Luftschicht mit Frosttemperaturen fallen. Die Regentropfen gefrieren und erreichen in fester Form den Erdboden.

Meteorologen warnen in der Regel nur vor gefrierendem Regen, da gefrierende Nässe äußerst lokal begrenzt ist und etwas Hausverstand voraussetzt:

Nasser Boden und Frost am Thermometer = Aufpassen, rutschig!

Gefrierendes Nieseln kommt weitaus häufiger und jeden Winter vor, bevorzugt bei Hochnebellagen, wenn unterkühlte Wassertröpfchen auf gefrorenen Boden treffen. Die Glätte hält sich dann jedoch meist in Grenzen, wenngleich audauerndes Nieseln die Glatteisbildung natürlich verschärfen kann. Für Meteorologen ist dieses Phänomen besonders schwierig zu prognostizieren, da sich selten messbare Mengen akkumulieren.

Gefrierender Regen ist kurzzeitig möglich, wenn eine Kaltfront Kaltluftseen ausräumt und durch wärmere Luft in der Höhe ersetzt. In nicht ausgeräumten Kaltluftseen kann es kurzzeitig zu Glatteisbildung kommen, ehe der Wind auffrischt und die Temperatur ins Plus steigt. Da sich Kaltluftseen nur lokal halten, ist auch dies für Meteorologen eine Herausforderung beim Prognostizieren.

Der seltenste, aber zugleich gefährlichste Fall ist Glatteisbildung bei Warmfronten. Denn bodennah führt die Strömung stetig Frostluft nach, während die Warmluft in der Höhe immer mächtiger wird. Messbarer Niederschlag ist die Folge, der sich zu signifikanten Mengen akkumulieren kann – so wie derzeit südlich und südöstlich der Alpen.

Die Skizze fasst die Phänomene Schneefall, Eiskörner und gefrierenden Regen zusammen, eingezeichnet ist jeweils der Temperaturverlauf mit der Höhe und die Nullgradgrenze.

glatteis

  1. Bei Schnee liegt die Temperatur mit der Höhe immer im negativen Bereich (Messungen zeigen, dass Schneefall bei bis zu +2 Grad in 1500 m möglich ist, wenn die Niederschlagsintensität passt).
  2. Bei Eiskörnern ist eine dünne positive Schicht vorhanden.
  3. Bei gefrierendem Regen ist die positive Schicht mächtiger.

Ausblick:

Mit fortschreitender Jahreszeit reduziert sich die Glättegefahr sukzessive, denn durch den steigenden Sonnenstand trifft mehr Globalstrahlung auf den Erdboden. Sie setzt sich aus direkter Sonneneinstrahlung (bei wolkenlosem Himmel) und diffuser Himmelsstrahlung (bei bedecktem Himmel) zusammen. Derzeit aber sind die Eisschichten am Boden noch zu dick, entsprechend wird es noch etwas dauern, bis sich tagsüber eine deutliche Entspannung bemerkbar macht.

Nachtrag, 5.2.14 – In den „7 Sachen, die Sie über Blitzeis eventuell nicht wussten“ verwendet der Falter (Ausgabe 6/14, nach diesem Blogeintrag erschienen!) prompt das Unwort Blitzeis. Sonst gibt es aber – im Gegensatz zu den „7 Sachen über Schnee“ – nichts zu bemängeln. Dass ein „besonders kalter Boden“ ein gefrorener Boden ist, versteht sich hoffentlich von selbst.

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