Starkregen, Hagel und Sturmböen

Es sind sogar Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen möglich.

Diesen Satz liest oder hört man derzeit oft in den Wetterberichten. Aber wie viel Beunruhigung lässt das auf den Durchschnittsbürger noch aus, wenn nahezu jedes Gewitterrisiko mit dieser Triade an Gefahren ergänzt wird? Und was ist überhaupt ein Unwetter?

In den USA versteht man unter einem severe (convective) storm eine schwerwiegende Störung des atmosphärischen Zustands, die nach den dort gültigen Kriterien mit wenigstens 2 cm großen Hagel und Böen über 90 km/h verbunden ist. Auch die ehrenamtlich agierenden europäischen Unwettervorhersager von ESTOFEX (European Storm Forecast Experiment) sagen bei Erfüllung dieser Kriterien Unwetter vorher.

Nun stellt sich umgekehrt die Frage:

Kann ein Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen denn kein Unwetter sein?

Für denjenigen, der ins Gewitter gerät, ist wohl die Mehrzahl der Gewitter ein Unwetter, oft an der Häufigkeit und Stärke der Wolke-Erde-Blitze festgemacht (je lauter und häufiger und näher es kracht, desto eher wird es als Unwetter empfunden), selbst es weder besonders kräftig geregnet, gehagelt oder gestürmt hat. Die Lautstärke ist allerdings subjektiv, hängt nämlich vom Standort des Beobachters ab.

Objektive Größen sind die Regenmenge, die Hagelgröße und -menge sowie die Windgeschwindigkeit.

1. Starkregen

Nahezu jedes Gewitter, sofern es nicht nach je einem Blitz und Donner wieder in sich zusammenfällt, bringt Starkregen hervor, ausgenommen etwa im Landesinneren von Australien, wo es sogenannte „trockene Gewitter“ gibt, die höchstens kräftige Windböen und Erdblitze produzieren. Es gibt prädestinierte Wetterlagen mit schwacher Luftströmung und hohem Wassergehalt der Atmosphäre, wo intensiverer Starkregen als sonst auftritt.

2. Hagel

Ebenso tritt zumindest tagsüber bei vielen Gewittern Hagel auf, wenngleich die allgemeine Aussage „Starkregen, Hagel und Sturmböen“ hier weder etwas über die zu erwartende Größe noch über die Menge aussagt.

Es macht für den Leser oder Hörer einen Unterschied, ob maximal 1 cm Hagel, 5 cm Hagel oder gar 10 cm großer Hagel zu erwarten ist. Bei 1 cm entstehen maximal geringe Schäden im Garten, bei 5 cm werden Gewächshäuser und Autodächer demoliert. Bei 10 cm (und schon darunter) besteht die Gefahr von Kopfverletzungen, schwerer Schäden an Dächern, Autos und allgemein Glasfassaden.

Ebenso macht es einen Unterschied, ob das Gewitter schnell zieht, gelegentlich ein paar Hagelgeschosse abwirft, oder langsam zieht und reichlich kleinen Hagel bringt, der die Kanalisation verstopft und dadurch Überflutungen verursacht. Viel kleiner Hagel maximiert nämlich noch das Überflutungsrisiko bei Starkregen, bedeutet aber für den Anwohner, dass er sein Auto nicht in die Garage fahren muss.

3. Sturmböen

Bleiben die Sturmböen übrig. Da hängt es zunächst mal davon ab, ab wann Sturmböen definiert sind. Im Mittel beginnt Sturm ab 75 km/h, von Sturmböen spricht man jedoch bereits ab 60 km/h. Diese hat man bei einem normalen Sommergewitter schnell mal erreicht.

Außergewöhnlich wird es erst, wenn die Gewitter sehr schnell ziehen und/oder bei entsprechender Tageserwärmung eine starke Abkühlung bringen, wobei verdunstender Hagel förderlich ist. Dann hat man durchaus Böen über 80, 90 km/h, in markanten Fällen über 100 km/h. An einer Gewitterlinie können flächendeckend 100-130 km/h drin sein, bei Winterstürmen und Schwergewitterlagen allgemein stellenweise auch 200 km/h und mehr.

Was hat der Sturm für Auswirkungen?
Bei 60 km/h weht es vielleicht einen Blumentopf um, bei 80 km/h können schon Äste abbrechen und Gartenstühle umfliegen, bei 120 km/h werden Bäume entwurzelt, Dächer beschädigt usw.

Ganz selten hört man bei den hiesigen Wetterberichten vom Zusatz „schwere Sturmböen“ oder gar „Orkanböen“. Es ist also nicht immer klar, ob die Sturmböen im Wetterbericht eher im 60-km/h-Bereich oder gar im potentiellen 90-100 km/h-Bereich angesiedelt sind. Der Unterschied entscheidet, ob man Vorkehrungen treffen muss, ob man in den Wald zum Joggen kann (sollte man bei Gewitter allgemein unterlassen) und ob man ein Grillfestl unterm Pavillon feiern kann, ohne dass dieser davongerissen wird.

Gewitter oder Unwetter?

Ein Unwetter ohne Starkregen, Hagel ODER Sturmböen, oder ohne alle drei? Schwer denkbar, insofern ist die Aussage „Unwetter mit Starkregen, Hagel, Sturmböen“ bereits redundant. Viel wichtiger wäre in meinen Augen zu betonen, welche Gefahr dominiert.

  • Bei langsam ziehenden Gewittern oder großen Gewittersystemen ist das der Starkregen.
  • Bei trockener Luft am Boden, Hagel, enorm hohem Wassergehalt, Winterstürmen, Gewitterlinien und einzelnen, heftigen Gewittern ist das der Sturm.
  • Bei feuchtheißer Luft ist es großer Hagel.
  • Und wenn die Luft bodennah feucht ist, der Wind mit der Höhe rasch zunimmt und dabei die Richtung ändert, können auch Tornados entstehen.

Ja, es gibt Gewitterlagen, bei denen alles möglich ist. Das sind häufig aber auch jene Lagen, bei denen die Extreme bei allen Gefahren ausgereizt werden, d.h., dann kann der Hagel groß werden, sich der Sturm zum Orkan steigern, und dann sollte man das auch textlich unterbringen.

Wenn man aber bei jeder Gewitterlage nur den Zusatz „Starkregen, Hagel und Sturmböen“ bringt, aber jeweils nur ein oder zwei Gefahren davon eintreffen (im Schnitt), dann stumpft das den Konsumenten des Wetterberichts auf Dauer ab, und er kann nicht einschätzen, ob die Hagelgefahr seinen Gemüsegarten gefährdet und der Sturm den Gartenpavillon.

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