“Birds scream at the top of their lungs in horrified hellish rage every morning at daybreak to warn us all of the truth, but sadly we don’t speak bird.” (Kurt Cobain)
Die Zukunft war auch schon mal besser. Die atlantische Umwälzzirkulation AMOC ist auf einem Kurs des Zusammenbrechens (Van Westen et al. 2024). Innerhalb weniger Jahrzehnte könnte es damit auf der Nordhalbkugel empfindlich kälter und trockener werden, wenn der warme Golfstrom versiegt, der Europa mit dem feuchtmilden Westwindklima versorgt. Mit dem Ende der AMOC würde die Eisausdehnung der Arktis bis zum Ärmelkanal und Nordsee reichen. Die Winter würden eisig und trocken werden, die Sommer weiterhin heiß.
In den letzten Jahren haben wir bereits vermehrt längere Hochdruckphasen mit Hitze und Dürre in Europa erlebt. Der Subtropengürtel verschiebt sich sukzessive nach Südeuropa. Im Übergangsbereich zwischen überdurchschnittlich hohem Luftdruck in allen Höhen und sehr kalter Luft über Nordeuropa/Nordmeer war der Jetstream in den vergangenen Monaten kräftig und führte teilweise zu rekordhohen Windspitzen. Nun heißt es, eine Limitation der VanWesten-Studie sei, dass die globale Erwärmung im Modell nicht berücksichtigt wurde. Es ist aber kein Widerspruch, dass Europa deutlich kälter würde. Im abgeschlossenen System Erde würde sich der Hauptteil der Erwärmung dann auf die Südhalbkugel konzentrieren.
Bereits jetzt sehen wir rekordheiße (!) Winter in Südamerika. Aber egal in welche Richtung – die globale Erwärmung hat verheerende Folgen: Teile des Amazon-Regenwalds könnten bis 2050 kippen (Flores et al. 2024). Die Landwirtschaft könnte sich so schnell nicht an die neuen Bedingungen anpassen. Global würde die Hälfte der Weizenanbauflächen verloren gehen.
In den USA „glauben“ rund 15% der Bevölkerung nicht an den Klimawandel. Am höchsten ist die Verleugnung in der Mitte und im Süden. Den stärksten Zusammenhang gibt es mit politischer Überzeugung, gefolgt vom Bildungsgrad, Impfraten bei SARS-CoV2, Kohlendioxidausstoß in der regionalen Wirtschaft und Einkommen. Kälteperioden und Klimakonferenzen werden gezielt genutzt, um Desinformation zu verbreiten – am stärksten von Donald Trump, gefolgt von konservativen Medien und rechtsextremen Aktivisten (Gounaridis and Newell 2024). Einige Erkenntnisse dieser Untersuchung lassen sich wohl auf Europa übertragen.
Heißer Winter 2023/2024 in Europa
Alle Rekorde aufzuzählen, die es seit Monaten gibt, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Hier daher nur eine Auswahl:
- Schmittenhöhe (1956m): +12,9°C am 16.02.2024 (gemessen wird seit 1895)
- Rudolfshütte (2317m): +9,7°C am 16.02.24 (alt: +9,1 – gemessen seit 1961)
- Tan-Tan (Marokko): +36,6°C am 14.02.24 (neuer nationaler Monatsrekord, 5-10 Grad über der durchschnittlichen Höchsttemperatur für Juli und August)
- Wiener Neustadt: derzeit für Februar 10 Grad über dem Mittel 1991-2020 (bereits von der Erderwärmung beeinflusst)
- Dänemark: an 28 Stationen Tiefstwerte von mehr als 10°C am 16.02.24 (Rekord)
- San Sebastian, Baskenland: +25,7°C am 15.02.24 (neuer Februarrekord, gemessen seit 1928)
- Jokioinen-Observatorium, Finnland: 22,57mm PWAT im Sounding – neuer monatlicher Rekord für die Station
Regionale Auswirkungen
In St. Johann in Tirol Skipistenbänder in aperer Umgebung bis weit hinauf. Eher an März oder April erinnernde Grüntöne im Tal. Wie an vielen Tagen herrschte eine markante Inversion am Vormittag (im 4km nördlich gelegenen Kirchdorf, Tirol -637m: -1°C um 9 Uhr, Hahnenkamm (1794m): +9°C), der Rauch breitete sich horizontal an der Inversion aus. Knapper Luftfrost lediglich für Mitte Februar, tagsüber rasch in deutliche Plusgrade übergehend.
Was mir so an weiteren Auswirkungen vieler rekordwarmer Monate einfällt:
- früher Vegetationsbeginn mit hohem Risiko für gravierende Schäden mit Kälterückfällen im März und April: betroffen v.a. die Marillen/Weinernte in der Wachau sowie die Apfelbauern in der Steiermark
- wenn der Niederschlag nicht Schritt hält, zieht der frühe Vegetationsbeginn auch wieder das Grundwasser ab und das kann in weiterer Folge wieder Trockenheit ab dem Frühjahr bedeuten
- früher Pollenflugbeginn, der die Atemwege reizt und bei den gleichzeitig kursierenden Viruserkrankungen mehr und schwerer verlaufende Erkrankungswellen befördern könnte
- früher aktive und Krankheiten übertragende Schädlinge und Insekten wie Zecken, später auch Stechmücken (Krim-Kongo-Fieber in Südfrankreich, Dengue-Fieber in Italien, Westnilfieber am Vormarsch in Südeuropa (Lu et al. 2024)), die immer länger überwintern können, da es auch zunehmend an frostfreien Nächten fehlt
Wetterausblick Österreich
Derzeit (11 Uhr) regnet es im Alpenraum noch bis 2000m herauf. Das erwartet man im April oder Mai, aber nicht im Februar.
Die „Kühlfront“ fällt nicht sehr ergiebig aus:
Der von Westen nachrückende Hochdruckeinfluss schwächt die Front deutlich ab. Rückseitig statt hochreichender Kaltluft nur relativ flache Stratocumulusbewölkung. Eindrucksvoll der kompakte Hochnebel östlich des Karpatenbogens über Rumänien, Moldawien und der Ukraine.
Ein Kennzeichen der Erderwärmung ist u.a. auch das gestiegene Geopotential (Luftdruck in der Höhe, Druckflächen in gpdm), wodurch die Atmosphäre stabiler und trockener wird. Die durchziehende Kurzwellentrog geht mit leidlicher Höhenkaltluft (-22°C-Isotherme über Tschechien, tiefster Wert um -24°C) einher. „Normal“ für diese Jahreszeit wären -30 bis -40°C in 500 hPa, ca. 5,5km Höhe. Es ist also sehr höhenwarm und mit dem nachrückenden Keil trocknet es sofort ab: Der Tod jedes ergiebigen Niederschlags.
Die nächste vergleichbar schwächliche Kaltfront erreicht in der Nacht auf Montag den Alpenraum, ab Mittwoch kommt dann mit einer föhnigen Südwestströmung der nächste Schub frühlingshaft milder Luftmassen herein.