Sturmtief SABINE

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Durchzug von Sturm SABINE in Wien: Ein laues Lüfterl mit viel Sonnenschein – Donauinsel Höhe Floridsdorfer Brücke am Nachmittag, © Felix W.

Die Intensität des Sturmtiefs und der Ablauf der Kaltfront waren schon vor einer Woche gut prognostiziert, damit steht die Vorhersagequalität den berühmten Vorgängern Emma (01.03.08) und Kyrill (18.01.07) in nichts nach, was aber auch an der Größe des Systems gelegen haben mag. Je größer der Umfang der Tiefdruckgebiete, desto zuverlässiger die Prognose. Auch das Windmaximum im Alpenvorland wurde korrekt prognostiziert, mit 154 km/h in Fürstenzell (Niederbayern) wurde auch im Flachland eine extreme Windböe gemessen (Modellverifikation im Thread von Janek Zimmer, kachelmannwetter.com).

Über Süddeutschland gab es verbreitet Orkanböen bis 120 km/h in den Niederungen. In Oberösterreich wurde in Rohrbach/Mühlviertel mit 125 km/h ein neuer Stationsrekord (seit 1948) aufgestellt. Deutlich schwächer fiel der Sturm dagegen am Alpenostrand aus, in Wien sogar nur knapp 60 km/h. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Alle Modelle zeigten in 850 hPa mindestens 50kt Mittelwind, teilweise sogar 70kt.

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Radiosonde von Wien-Hohe Warte, 10.02.20, 11.30 UTC

Die Radiosonde zum Zeitpunkt des Kaltfrontdurchgangs zeigt erst oberhalb 700 hPa stärkere Höhenwinde um 60kt, in 850 hPa sind es nur 30-35kt. Die wurden bis zum Boden herabgemischt. Die Schichtung ist hochreichend gesättigt, aber nicht sehr labil.

Nachfolgend ein paar (analysierte) Sequenzen aus den RGB-Satellitenbildern von EUMETSAT (Quelle).

Montagvormittag, vor Frontdurchgang in Wien, das breite warme Förderband im Warmsektor mit hochreichender Cirrusbewölkung ist immer noch gut erkennbar. Die Kaltfront erstreckt sich vom Finnischen Meerbusen über das Baltikum bis Tschechien und das Bayrische Alpenvorland. Über Deutschland folgt zelluläre Bewölkung mit kräftigen Schauern nach, die lokal erneut Orkanböen hervorbringen. Über Irland formiert sich bereits das prognostizierte Randtief.

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RGB Satellitenbildanalyse um 09 UTC

Um 12 Uhr liegt die Kaltfront quer über dem Nordalpenraum, die Wabenstuktur nimmt an der Nordgrenze von Österreich an Ausprägung zu, dort ist die Nähe zum Höhentrog und Hebungsmaximum noch eher gegeben, während sie im Alpenraum unter schwaches Absinken gerät (warme Seite des Jetstreams). Der kommaförmige Cloudhead über Wales deutet auf die Vertiefungsphase des Randtiefs hin. Vorlaufend zur Kaltfront zieht über den Alpenostrand ein schmales Schauerband. Dahinter greift Westsüdwestwind durch und treibt das Thermometer auf 17°C hinauf (Westföhn).

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RGB Satellitenbild um 11 UTC

Um 14 Uhr am Nachmittag ist die Kaltfront bereits durchgezogen und über Wien zeigt sich wieder die Sonne. Die Schauerstaffeln über Deutschland reichen bis nach Oberösterreich und bringen bis knapp vor Sonnenuntergang nochmals einzelne Sturmböen um 90 km/h hervor. Von England her folgt das Randtief nach, das eingezeichnete Frontensystem ist eher symbolisch zu verstehen. Der abgeschwächte Frontdurchgang in Österreich könnte mit einer Verwellung zu tun haben.

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RGB-Satellitenbildanalyse um 13 UTC

Um 17 Uhr ist die Kaltfront abgezogen, die letzten Schauer, in Wien verirrt sich ein Blitz in den Wienerwald, ziehen ab. Die 3-stündigen Druckänderungen zeigen bereits wieder fallende Tendenzen über Westdeutschland und Schweiz, verursacht durch das rasch näherrückende Randtief.

16z

RGB-Satellitenbildanalyse um 16 UTC

Mögliche Gründe für die starke Abschwächung am Alpenostrand:

    • Kaltfront wurde ab Mühl/Waldviertel strömungsparallel, dadurch schwache Bodenkaltfront, die nicht durch Temperatur- oder Druckunterschiede gestützt wurde (40er bis 50er Druckanstieg mit der Front, unter 3 hPa Differenz zwischen Salzburg und Wien)
    • Niederschlagsband wurde stratiform statt konvektiv, dadurch Entkopplung des Höhenwinds
    • Zu starke Südwestkomponente in der Höhe, klassisch für starke Westwinde (vgl. Sturm PETRA) ist rein West bis Westnordwest.

Mal schaun, was sich noch herausfinden lässt. So long … jetzt kommt erstmal das zweite Sturmtief. Manche Lokalmodelle (z.b. COSMO 15z) zeigen bereits einen abgeschlossenen Tiefkern über das Norddeutsche Tiefland ziehen.

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COSMO 15z, gültig für Dienstag, 02 Uhr, 850 hPa (kt)

Nicht nur sind erneut im Alpenvorland die stärksten Höhenwinde (und Bodenwinde) gerechnet, das Orkanfeld ist insgesamt intensiver als bei SABINE und eingelagert sind zahlreiche bogenförmige Schauerlinien, die sich sogar im Windfeld abzeichnen. Damit kann der gezeigte Höhenwind bis zum Boden herabtransportiert werden.

Das Randtief wird keinen Namen tragen und in den Medien vermutlich immer noch unter SABINE laufen, ist aber eher SABINE II oder SABINE SUCCESSOR.

Update, Dienstag, 11.02.20, 14.00 MEZ:

Wie ich sagte, im ORF (und bei den Vorarlberger Nachrichten):

„Sturmtief „Sabine“ hat sich am Dienstag in Vorarlberg nicht mehr so scharf gezeigt wie tags zuvor, hat aber dennoch Schaden angerichtet. Im Stadion des SCR Cashpoint Altach zerriss „Sabine“ die Dachplane der Nordtribüne.“ (Quelle)

Die Tagesschau (und sogar die BILD) haben richtig berichtet:

„Orkantief „Sabine“ ist zwar weitergezogen, doch es bleibt stürmisch – und die Auswirkungen des Unwetters bleiben weiter spürbar, vor allem in Süddeutschland.“ (Quelle)

Update, 14.45 MEZ:

Die PA-Meldung verbreitet sich in Windeseile, so bei den Salzburger Nachrichten, Oberösterreichische Nachrichten und im ORF

„Der Sturm erreichte im äußersten Norden der Mittelmeer-Insel Korsika in Böen eine Geschwindigkeit von 219 Stundenkilometern. Das liege leicht unter dem Rekord vom Jänner 2018, als am Cap Corse 225 km/h erreicht wurden, berichtete der Wetterdienst Meteo France am Dienstag.“

Quelle der Wettermeldung:

https://www.infoclimat.fr/observations-meteo/temps-reel/ersa-cap-corse/07785.html

Die Spitzenböe ereignete sich zwischen 09 und 10 Uhr Lokalzeit auf 104m Seehöhe am Nordwestspitz von Korsika. Die ersten Orkanböen kamen aus Südwesten, danach aus Südosten.

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Großwetterlage mit RGB-Luftmassen am 11.02.2020, 09 UTC

Zum Zeitpunkt der Böe auf Korsika lag SABINE bereits über der Barentsee nördlich von Skandinavien. Das stark verwellte Frontensystem erstreckte sich vom Schwarzen Meer über die Ostukraine bis Nordrussland. Dahinter folgt das kleinräumige (namenlose) Randtief, das exakt um 04 Uhr MEZ über Nordpolen einen abgeschlossenen Tiefkern besaß und sich dann wieder abschwächte. Seine Kaltfront reichte bis Kroatien. Von Irland bis zur Ostsee zogen ausgeprägte Tröge mit Höhenkaltluft ostwärts und hielten die Sturmflutbedingungen aufrecht. Über dem Nordalpenraum machte sich eine schwache Verwellung mit Niederschlägen bemerkbar. Korsika lag fernab von allem Fronten- und Sturmtiefgeschehen.

Einen ersten Hinweis liefert die Höhenwindkarte (ca. 1500m) für Dienstagmorgen:

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ICON 00z, 850 hPa Wind (kt), gültig für 11-02-20, 06 UTC

Starker Mistral mit straffer Nordwestströmung über Korsika bis in die Toskana, verursacht durch kräftige Kaltluftzufuhr hinter Sturmtief Nr.2.

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Satellitenbild von Dienstag, 11.02., 10 UTC, Quelle: kachelmannwetter.com

Das Satellitenbild kurze Zeit später zeigt hohe Bewölkung im Lee der Halbinsel über der Insel Elba, nach Westen wie abgeschnitten. Es handelt sich um klassische Leewellenbewölkung einer hochreichenden Gebirgswelle. Gleichzeitig fand eine starke Erwärmung statt. In Cap Corse 16°C, in Bastia hingegen 24°C.

Vermutung ist also, dass es sich um eine stehende Leewelle handelt, die Südostwinde deuten, sofern es kein Messfehler ist, auf Rotorbildung hin.

 

 

 

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